Vorstand und Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft

Nachdem wir schon einen allgemeinen Überblick über die Aktiengesellschaft und deren Vor- und Nachteile gegeben haben, wollen wir uns hier mit Führung der Aktiengesellschaft auseinandersetzen. Das deutsche Aktienrecht leistet sich mit einer dualistischen Board Struktur eine Besonderheit.

Erfahren Sie hier mehr darüber, wie Aufsichtsrat und Vorstand interagieren und welche Rechte und Pflichten Sie jeweils haben.

Was für Organe kennt die Aktiengesellschaft

Die Aktiengesellschaft besteht aus drei Organen:

  • Hauptversammlung
  • Aufsichtsrat
  • Vorstand

Diese nehmen verschiedene Funktionen wahr und sind untereinander u.a. durch Berichtspflichten und Wahlen verbunden. Während die Aktionäre aus dem Alltagsgeschäft der Gesellschaft herausgehalten werden und ihre Rechte nur in den Hauptversammlungen geltend machen, wir die Aktiengesellschaft durch den Vorstand operativ geleitet.

Merkmal der dualistischen Board Struktur ist der Aufsichtsrat als weiteres Organ. Dieser wählt, entlässt und beaufsichtigt den Vorstand. Im angelsächsischen Rechtsraum findet man hingegen eine monistische Struktur, in welcher nur ein Organ die Gesellschaft leitet.

 

Rechte und Pflichten des Vorstandes (management board) nach §§ 76 – 94 AktG

In der Regel besteht der Vorstand in der Praxis aus mehreren Personen, welche oft verschiedene Ressorts betreuen. Unter den Mitgliedern besteht kein Über- und Unterordnungsverhältnis und jeder trägt (auch bei einer Ressortverteilung) grundsätzlich die Gesamtverantwortung. Zwingend muss der Vorstand gem. § 76 II 2 AktG erst ab einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro aus mehreren Mitgliedern bestehen. Es sind dementsprechend auch kleine 1-Mann-AG‘s denkbar. Vorstandsmitglieder werden durch den Aufsichtsrat auf höchstens 5 Jahre bestellt — und im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes nach § 84 Abs. 1 AktG abberufen. Durch erneuten Aufsichtsratsbeschluss können die entsprechenden Vorstandsmitglieder auch noch einmal auf weitere fünf Jahre bestellt werden oder deren Bestellung ebenfalls um maximal fünf Jahre verlängert werden.

Optional kann gem. § 84 II AktG der gesamte Aufsichtsrat eine Person zum Vorstandsvorsitzenden ernennen. Dieser repräsentiert dann den Vorstand und leitet die Vorstandssitzungen. Die weiteren Rechte und Pflichten sind gesetzlich nur unzureichend geregelt und wären in der  Satzung auszugestalten. Ein Vorstandsvorsitzender nach deutschem Recht kann jedoch nicht dem CEO nach angelsächsischen Vorbild gleichgesetzt werden. Das Kollegialprinzip verhindert beispielsweise, dass diesem ein Weisungsrecht gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern zukommt (Fleischer, ZIP 2003, 1, 8).

Wichtigste Aufgaben des Vorstandes der Aktiengesellschaft

Diese sind im Wesentlichen die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft nach außen gem. § 78 AktG und gem. § 76 I AktG die Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung. Grundsätzlich sind Leitung und Vertretung der Gesellschaft nur durch den gesamten Vorstand gemeinschaftlich möglich. Von der Regelung durch den Gesetzgeber kann durch die jeweilige Satzung der Aktiengesellschaft allerdings abgewichen werden. In der Praxis wird meistens eine sog. Öffnungsklausel installiert, welche die Möglichkeit einräumt, den Vorständen auch Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen.

In der Vertretung und Leitung der AG durch den Vorstand liegt ein grundsätzlicher Unterschied zu dem Aufgabenspektrum eines GmbH-Geschäftsführers. Während dieser gem. § 37 I GmbHG den Weisungen der Gesellschafter unterworfen ist, unterliegt der Vorstand nicht den Weisungen der Aktionäre. Nicht einmal dem Aufsichtsrat kommt in seiner Aufsichtsfunktion eine Weisungsbefugnis gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu. Etwas anderes ergibt sich nur bei einem Beherrschungsvertrag gegenüber dem beherrschenden Unternehmen.

Lediglich für sogenannte Grundlagengeschäfte hat die Rechtsprechung in Anlehnung an den Aufgabenkatalog des § 119 AktG (BGHZ 83, 122 und BGHZ 153, 47) eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz angenommen und dies dementsprechend dem Aufgabenspektrum des Vorstandes entzogen.

Übersichtsartig lassen sich die Hauptaufgaben des Vorstandes wie folgt zusammenfassen:

  • Eigenverantwortliche Leitung des Gesellschaft § 76 AktG
  • Außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Gesellschaft § 78 AktG
  • Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen § 83 AktG
  • Einberufung der Hauptversammlung nach § 121 AktG
  • Berichterstattung an den Aufsichtsrat gem. § 90 AktG in dem dort bestimmten Umfang – mindestens jährlich über grundsätzliche Unternehmensausrichtung und Strategie; Über die Rentabilität in der Sitzung des Aufsichtsrats bezüglich des Jahresabschlusses; Über den Gang der Geschäfte mindestens vierteljährlich; Über Geschäfte mit potenzieller erheblicher Bedeutung für Rentabilität und Liquidität möglichst rechtzeitig um Stellungnahme zu ermöglichen; Zudem jederzeitige Berichtspflicht auf Verlangen eines Aufsichtsratsmitglieds
  • Buchführung und Implementierung eines Risk-Management-Systems § 91 AktG
  • Bei Gefährdungen der Gesellschaft besondere Pflichten nach § 92 AktG – insbesondere bei Verlusten und drohender Insolvenz
  • Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlussberichts und Lageberichts an den Abschlussprüfer §§ 264, 290, 320 HGB; Zudem deren Offenlegung §§ 325 ff. HGB

Sorgfaltspflichten des Vorstandes – Business Judgement Rule

Nach § 93 I 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Ergänzend wurde in Satz 2 der Norm die aus dem angelsächsischen Raum stammende Business Judgement Rule kodifiziert. Danach sollen Vorstandsmitglieder nur dann für fehlgeschlagene unternehmerische Entscheidungen haftbar gemacht werden, wenn zugleich eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt.

Die Business Judgement Rule greift, wenn eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, das Mitglied gutgläubig ist, keine fachfremden Sonderinteressen vorliegen und zum Wohle der Gesellschaft, basierend auf ausreichender Information gehandelt wurde. Die Vorstandsmitglieder haften bei Verstößen gesamtschuldnerisch. Ressortfremde Mitglieder unterliegen einer allgemeinen Aufsichtspflicht und sind bei deren Verletzung ebenfalls heranzuziehen. Geltend gemacht werden eventuelle Ansprüche gem. § 93 II AktG durch den Aufsichtsrat der Gesellschaft – eine Pflicht hierzu besteht allerdings nur, wenn die Hauptversammlung gem. § 147 I AktG entsprechendes beschließt. In der Regel werden Schäden aufgrund von Pflichtverstößen durch eine D&O-Versicherung abgesichert.

 

Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates (supervisory board) §§ 95 – 116 AktG

Der Aufsichtsrat besteht gem. § 95 AktG aus mindestens drei Personen wobei die genaue Anzahl je nach Grundkapital variieren kann. Die Mitglieder werden, solange nicht die Regeln des Mitbestimmungsgesetzes oder des Drittelbeteiligungsgesetzes ab 500 Mitarbeitern greifen, durch die Hauptversammlung für 4 Jahre gewählt. Nach Ablauf der vier Jahre können sie wiedergewählt werden.

Der Aufsichtsrat kann nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG Ausschüsse bestellen. Diese können dann Verhandlungen und Beschlüsse vorbereiten und die Umsetzung der getroffenen Beschlüsse überwachen. Verbreitet sind z.B. Prüfungsausschuss (audit committee) und Vergütungsausschuss (compensation committee). Hier wird insbesondere die Überwachung der Rechnungslegung, das interne Kontrollsystems (IKS) und das Risikomanagementsystem (RMS), das interne Revisionssystems und die Abschlussprüfung delegiert (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG).

Kernaufgaben des Aufsichtsrates

Die Kernaufgabe des Aufsichtsrats als Kontrollgremium besteht darin, gem. § 111 I AktG die Geschäftsführung und damit den Vorstand zu überwachen aber auch zu beraten. Dies intensiviert sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Hierfür kann er Bücher und Schriften einsehen und wie oben ausgeführt von dem Vorstand Berichte einfordern. Gegenüber dem Vorstand vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich und macht auch eventuelle Schadensersatzansprüche geltend (s.o.). Zudem können die Satzung und der Aufsichtsrat bestimmen, dass bestimmte Geschäfte des Vorstandes seiner Zustimmung bedürfen.

Weitere Aufgaben liegen in der Bestellung der Vorstandsmitglieder und deren Abberufung, der Auftragserteilung an den Abschlussprüfer gem. § 111 II 3 AktG und der Prüfung und Mitentscheidung über den Jahresabschluss nach § 170ff. AktG. Weiterhin hat der Aufsichtsrat die Hauptversammlung gem. § 111 III AktG einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert. Im Rahmen der Hauptversammlung bestehen Teilnahmepflichten nach § 118 AktG und Berichtspflichten nach §§ 171 II, 314 AktG.

Aufsichtsratssitzungen

Aufsichtsratssitzungen haben bei börsennotierten Gesellschaften mindesten zweimal im Kalenderhalbjahr stattzufinden, bei nicht-börsennotierten Gesellschaften kann dies auch auf eine Sitzung reduziert werden. Zudem können sowohl einzelne Mitglieder als auch der Vorstand die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung verlangen. Diese muss dann innerhalb zwei Wochen einberufen werden. Andernfalls kann dies durch das entsprechende Mitglied bzw. durch den Vorstand selbst geschehen.