Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts auf Gesellschafter der Komplementär-GmbH

Anmerkung zum BGH-Urteil vom 06.11.2024 – IX ZR 216/22: Relevanz für GmbH-Geschäftsführer i.S. Gesellschafterdarlehen

Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 06. November 2024 hat weitreichende Implikationen für Geschäftsführer von GmbHs und deren Beteiligungsstrukturen. Im Fokus steht die Anwendung des Rechts zum Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 Insolvenzordnung (InsO) auf den Gesellschafter einer Komplementär-GmbH, die selbst an einer GmbH & Co. KG beteiligt ist. Dieses Urteil betont die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Gesellschafterdarlehensrechts und könnte in der Praxis erhebliche Auswirkungen auf Finanzierungsentscheidungen haben.

Der Fall: Beteiligung über die Komplementär-GmbH

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Komplementär-GmbH keine eigene Kapitalbeteiligung an der darlehensnehmenden GmbH & Co. KG. Dennoch entschied der BGH, dass das Gesellschafterdarlehensrecht auf den Gesellschafter der Komplementär-GmbH anzuwenden sei. Grund dafür war, dass die streitgegenständliche Forderung aus einer Rechtshandlung resultierte, die aus wirtschaftlicher Sicht einem Gesellschafterdarlehen entsprach.

Wirtschaftliche Betrachtung und § 39 InsO (Gesellschafterdarlehen)

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 InsO gelten Forderungen aus Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall als nachrangig. Der BGH stellte klar, dass diese Regelung nicht nur auf unmittelbare Darlehensgewährungen durch Gesellschafter anzuwenden ist, sondern auch auf Rechtshandlungen Dritter, die wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichkommen. Entscheidend ist die Verbindung zwischen der darlehensnehmenden Gesellschaft und der Person, die das Darlehen gewährt hat. Im vorliegenden Fall sah der BGH eine ausreichende wirtschaftliche Verflechtung, da der betroffene Gesellschafter der Komplementär-GmbH zugleich mittelbarer Gesellschafter der GmbH & Co. KG war.

Was bedeutet das für die Praxis?

  1. Erweiterte Haftungsrisiken: Gesellschafter von Komplementär-GmbHs müssen sich bewusst sein, dass sie unter bestimmten Umständen wie unmittelbare Gesellschafter der GmbH & Co. KG behandelt werden können.
  2. Prüfung von Finanzierungsstrukturen: Geschäftsführer sollten bei der Strukturierung von Darlehen und Finanzierungen die wirtschaftliche Betrachtungsweise des BGH beachten. Selbst indirekte Finanzierungsformen können im Insolvenzfall als nachrangige Forderungen qualifiziert werden.
  3. Beratung und Dokumentation: Es ist ratsam, Finanzierungsmaßnahmen und Verflechtungen genau zu dokumentieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um Risiken zu minimieren.

Fazit

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die wirtschaftlichen Zusammenhänge (hier das Gesellschafterdarlehen) in Gesellschaftsstrukturen zu analysieren. Für GmbH-Geschäftsführer und Gesellschafter ergeben sich hieraus potenziell erhebliche Haftungsrisiken, die durch sorgfältige Planung und rechtliche Beratung gemindert werden können. Gerade bei komplexen Beteiligungskonstruktionen, wie sie bei GmbH & Co. KGs üblich sind, sollte die finanzielle und rechtliche Tragweite von Darlehensvergaben genau analysiert werden.

Auflösung der GmbH: Liquidatoren aufgepasst – Einzug von Forderungen ist zweckgebunden

Die Auflösung einer Gesellschaft (Liquidation) ist ein komplexer Prozess, der insbesondere Liquidatoren vor erhebliche rechtliche und praktische Herausforderungen stellt. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 02.10.2024 – 7 U 2532/22) beleuchtet die Grenzen und Voraussetzungen des Einzugs von Forderungen gegen Gesellschafter durch den Liquidator. Der Fall verdeutlicht, wie entscheidend die Zweckbindung der Liquidation für das Handeln des Liquidators ist

Forderungseinzug durch den Liquidator

Der Streitfall betraf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die von einem geschiedenen Ehepaar gegründet wurde. Nach der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Liquidation der GmbH stellte sich die Frage, ob und in welchem Umfang der Liquidator, ein ehemaliger Gesellschafter, eine Darlehensrückzahlungsforderung gegen die Mitgesellschafterin geltend machen konnte.

Das Gericht entschied, dass der Einzug solcher Forderungen durch den Liquidator immer an den Liquidationszweck gebunden ist.

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OLG München: Kein Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB bei Ersteintragung einer Partnerschaftsgesellschaft

Das OLG München hat in einem aktuellen Beschluss vom 23. Oktober 2024 (34 Wx 255/24 e) eine klare Grenze gezogen: Ein Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB ist bei der Ersteintragung einer Partnerschaftsgesellschaft nicht möglich. Da die für einen Haftungsausschluss notwendigen Tatbestandsmerkmale „Handelsgeschäft“ und „Firma“ nur vorliegen, wenn ein  Veräußerer bereits Kaufmann war, kann diese Privilegierung keine Anwendung für die Ersteintragung einer Partnerschaft Anwendung finden.

Der Fall im Überblick

Zwei Gesellschafter wollten eine neue Partnerschaftsgesellschaft gründen und gleichzeitig eine Haftungsübernahme für die Verbindlichkeiten einer zuvor bestehenden PartGmbB ausschließen. Sie beantragten beim Registergericht die Eintragung eines entsprechenden Haftungsausschlusses. Das Registergericht lehnte ab und wurde vom OLG München bestätigt.

Die Entscheidung des OLG München

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass § 25 Abs. 2 HGB ausschließlich für Fälle gilt, in denen ein bereits bestehendes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortgeführt wird. Partnerschaftsgesellschaften sind jedoch keine Kaufleute und unterliegen daher nicht dem Handelsrecht. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei nicht zulässig.

Juristische Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG München hat folgende Konsequenzen für die Praxis:

  • Keine Haftungsausschlüsse bei Ersteintragung: Bei der Gründung einer neuen Partnerschaftsgesellschaft können keine Haftungsausschlüsse für Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit eingetragen werden.
  • Wichtigkeit präziser Gründungsverträge: Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Gründungsverträge von Partnerschaftsgesellschaften besonders sorgfältig ausgearbeitet werden.

Eine ausführliche Darstellung zum Thema Haftungsausschluss nach § 25 Absatz 2 HGB gibt es hier auf diesem Blog.

Fazit

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht, dass das Recht der Partnerschaftsgesellschaften noch immer Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen ist und diese teilweise ohne einleuchtenden Grund gegenüber Handelsgesellschaften und Kaufleuten benachteiligt werden. Es bleibt bei dem tradierten Grundsatz, dass zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern (für welche die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft eingeführt wurde) zu unterscheiden ist.

Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) – Was ist neu?

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1. Januar 2024 ging eine Flut von Neuerungen durch das deutsche Gesellschaftsrecht – neue „Hausnummern“ , Einschübe und Streichungen sowie insbesondere im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zahlreiche Erleichterungen: Was seit Jahren ständige Rechtsprechung war, wird nun kodifiziertes Gesetzesrecht.

Dieser Artikel soll Ihnen einen Überblick über die Hintergründe dieser „Jahrhundertreform“ des Gesellschaftsrechts, ihre wichtigsten Änderungen sowie deren Auswirkungen auf die Praxis vermitteln.

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Die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers im Überblick

In diesem Beitrag wird ein ausführlicher Überblick über die Pflichten, die einem GmbH-Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit treffen, vermittelt. Dieser gliedert sich in:

  1. Pflichten bei Gründung der Gesellschaft
  2. Pflichten nach Gründung der Gesellschaft
  3. Pflichten in der Krise der Gesellschaft
  4. Pflichten bei der Beendigung der Gesellschaft

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Was passiert, wenn die Insolvenzgründe beseitigt wurden?

Eine in wirtschaftliche Schieflage geratene GmbH sieht sich regelmäßig einem Insolvenzverfahren ausgesetzt. Der GmbH-Geschäftsführer stellt bei drohender bzw. bestehender Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 18 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) der Gesellschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem Insolvenzgericht. Das Gericht kann den Insolvenzantrag entweder annehmen oder mangels Masse zurückweisen. Was aber passiert, wenn das Insolvenzverfahren zunächst abgelehnt wurde, die Gesellschaft dann wieder auf Kurs kommt und sich ihre wirtschaftliche Lage verbessert? Über diese Frage hatte der Bundesgerichtshof [BGH, Beschluss vom 25.1.2022 – II ZB 8/21] zu befinden.

Sachverhalt des zu entscheidenden Falls

Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister eingetragene GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM. Im Februar 2007 wies das Insolvenzgericht den Antrag der Gesellschaft auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse zurück. Die Ablehnung des Eröffnungsbeschlusses und die Auflösung der GmbH wurden gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbH von Amts wegen in das Handelsregister eingetragen.

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Zum Umfang der Pflichten eines Geschäftsführers

Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH hängt maßgeblich vom Umfang seiner jeweiligen Pflichten ab. Spannend wird dies insbesondere dann, wenn die wesentliche Aufgabe der GmbH in der Führung einer Kommanditgesellschaft besteht (GmbH & Co. KG). In diesem Fall besteht ein Haftungsrisiko auch gegenüber der KG und nicht lediglich gegenüber „seiner“ GmbH. Über den genauen Umfang dieser Geschäftsführerpflichten hat das OLG Nürnberg [Urt. v. 30.3.2022 – 12 U 1520/19] entschieden.

Sachverhalt des zu entscheidenden Falls:

Die klagende GmbH & Co. KG macht – vertreten durch eine KommanditistinSchadenersatzansprüche gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend.
Die Klägerin vertreibt Mineralölprodukte und gibt für Kunden mit größeren Fuhrparks auf deren Antrag Tankkarten aus, die das bargeldlose Tanken in von der Klägerin betriebenen Tankstellen ermöglichen.

Nachdem die Einhaltung von Kreditlimits für ausgegebene Tankkarten zunächst nicht kontrolliert worden war, was zu Zahlungsausfällen führte, wurden in der Folge Schulungen für die Geschäftsführung durchgeführt, bei denen die Kreditvergabe an Kunden und das Vier-Augen-Prinzip erörtert wurden.

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Insolvenzverschleppung – Was passiert, wenn kein Insolvenzantrag gestellt wird?

Wie bereits im Beitrag zur Insolvenz im Unternehmen erwähnt, besteht die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages, wenn das Unternehmen hierfür reif ist. Unterbleibt die Antragstellung hingegen oder wird sie nicht rechtzeitig bzw. nicht korrekt durchgeführt, so ergeben sich hieraus nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen (Haftung), sondern auch strafrechtliche. Man spricht dann von der sog. Insolvenzverschleppung.

Welche zivilrechtlichen Folgen ergeben sich aus einer Insolvenzverschleppung?

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Das Insolvenzverfahren im Unternehmen

Die steigenden Kosten für Strom und Gas bergen großes Gefahrpotenzial hinsichtlich der finanziellen Situation vieler Unternehmen und Betriebe. Anlässlich dessen wurde in der Politik der Wunsch nach einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht laut, um Betroffene in der Krise finanziell zu schützen. Was aber verbirgt sich hinter dieser Insolvenzantragspflicht oder dem Begriff der „Insolvenz“ allgemein? Der folgende Beitrag soll Ihnen einen Überblick über das Insolvenzverfahren und seine Folgen in Deutschland geben.

Kern des Insolvenzverfahrens für Unternehmen ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger – in der Regel – durch Verwertung des Vermögens und einer anschließenden Verteilung des Erlöses, d.h. das übrige Vermögen soll anteilig unter den Gläubigern aufgeteilt werden, vgl. § 1 InsO.

Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab?

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„Online-Gründung“ einer GmbH

Die Möglichkeiten der Gründung einer GmbH stellten sich bislang als eher starres und über Jahrzehnte kaum verändertes Instrument dar. Gleich, ob im „klassischen“ Gründungsverfahren oder mittels des neueren, vereinfachten Verfahrens nach § 2 Abs. 1a GmbHG zeichnete sich die Gründung stets durch ein persönliches Erscheinen vor dem Notar aus. Dies kann insbesondere für ausländische, im Ausland niedergelassene und/oder vielbeschäftigte Gründer lästig sein.

In Zeiten, in denen selbst Hauptversammlungen einer AG im digitalen Raum abgehalten werden können, scheinen sich die Grenzen der Digitalisierung im deutschen Gesellschaftsrecht jedoch zunehmend in Richtung Modernisierung zu verschieben. Dieser Trend hat auch Einzug in das GmbH-Recht gehalten: Mit Inkrafttreten des DiRUG besteht seit dem 1. August 2022 die Möglichkeit einer „Online-Gründung“ nach § 2 Abs. 3 GmbHG.

Die gängige Bezeichnung „Online-Gründung“ ist hierbei ein wenig irreführend. Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es sich nicht um ein online auszufüllendes Gründungsformular.

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