BGH stärkt Gläubigerschutz: Haftung des ausgeschiedenen GmbH-Geschäftsführers für spätere Schäden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. II ZR 165/23) eine weitreichende Entscheidung zur Haftung ausgeschiedener Geschäftsführer getroffen.
Kern der Entscheidung:

Ein Geschäftsführer bleibt auch nach seinem Ausscheiden für Schäden verantwortlich, wenn diese auf Pflichtverletzungen während seiner Amtszeit zurückzuführen sind.

Diese Rechtsprechung verschärft die Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer erheblich – insbesondere in Fällen von Insolvenzverschleppung oder betrügerischen Schneeballsystemen.

Hintergrund des Falls: Schneeballsystem mit Spätfolgen

Ein ehemaliger Geschäftsführer einer Unternehmensgruppe, die sich auf den Vertrieb und die Verwaltung von Containern spezialisierte, hatte über Jahre ein Schneeballsystem mitbetrieben, das unweigerlich in die Insolvenz führte. Nach seiner Abberufung investierten neue Anleger weiterhin Kapital – Geld, das später beim Zusammenbruch verloren ging.

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OLG Braunschweig zur Gesellschafterliste und Notgeschäftsführer: Treu und Glauben schlägt formelle Legitimationswirkung

Wenn in einer Zwei-Personen-GmbH der Ton rauer wird, greifen Gesellschafter nicht selten zu harten Mitteln: Einziehungsbeschlüsse, Ausschluss, der Versuch, die Gesellschafterliste zügig zu ändern – der Gesellschafterstreit ist ausgebrochen. In genau einem solchen Konfliktszenario hat das OLG Braunschweig am 7. August 2025 mit Beschluss 3 W 6/24 Leitplanken gesetzt – und zugleich die Schwelle für die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB klar markiert.

I. Sachverhalt

Zwei Gesellschafter, eine GmbH – klassische Patt-Situation. Die Gesellschaft war eigentlich schon auf dem Rückzug, da kaum noch operative Tätigkeiten stattfanden, etwas Restvermögen und Immobilien verblieben. Es kam jedoch zum Streit über die Auseinandersetzung der GmbH.

Die Besonderheit:
Eine Gesellschafterin hatte 50 %, der andere Gesellschafter war zugleich Geschäftsführer. In einem früheren Verfahren hatten sich beide per Prozessvergleich verpflichtet, keine neue Gesellschafterliste einzureichen, die die Antragstellerin streicht – bis eine endgültige gerichtliche Entscheidung fällt.

Doch genau das passierte: Der Geschäftsführer reichte trotzdem eine neue Liste beim Registergericht ein – entgegen der Vereinbarung. Das Register nahm sie auf. Als die Gesellschafterin einen Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers stellte, wurde dieser abgelehnt, da sie nicht mehr in der Liste als Gesellschafterin geführt wurde.

II. Entscheidung des OLG Braunschweig

Das OLG Braunschweig entschied, dass die Gesellschaft sich gemäß Treu und Glauben (§242 BGB) nicht auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG berufen kann, wenn die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste per einstweiliger Verfügung oder im Prozessvergleich untersagt wurde und dennoch erfolgte.

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Einstweiliger Rechtsschutz bei der Einziehung von Geschäftsanteilen

Allgemeine Rechtslage zur Einziehung von Geschäftsanteilen

Die Einziehung von Geschäftsanteilen wird in der Regel durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ermöglicht – häufig etwa zur Abwehr von Pflichtverletzungen eines Gesellschafters. Nach § 34 GmbHG kann ein solcher Einziehungsverfahren grundsätzlich mittels eines mehrheitlichen Beschlusses der Gesellschafterversammlung erfolgen. Wird im Rahmen eines Einziehungsverfahrens auch die Streichung aus der Gesellschafterliste vorgenommen (vgl. § 16 GmbHG), ergeben sich weitreichende Konsequenzen für den betroffenen Gesellschafter, da er seine Stellung als Gesellschafter verliert.

Weitere Informationen zur Informationen finden Sie an anderer Stelle auf diesem Blog.

Um den Gesellschafter vor einer endgültigen Rechtswirkung zu schützen, kommt unter Umständen der einstweilige Rechtsschutz in Betracht. Allerdings setzt die Gewährung einer einstweiligen Verfügung voraus, dass durch das Abwarten eines Beschlusses eine drohende Rechtsverletzung unmittelbar bevorsteht – etwa wenn nach Vollzug der Einziehung keine effektiven Rechtsbehelfe mehr zur Verfügung stünden. Dieses Konstrukt orientiert sich u. a. an dem Grundsatz, dass ein gesichertes Nachprüfungsverfahren in der Gesellschafterversammlung und anschließenden gerichtlichen Prüfung grundsätzlich als ausreichender Schutz gilt.

Die Entscheidung des OLG München vom 16.01.2025

In der Entscheidung des OLG München vom 16.01.2025 (Aktenzeichen 7 W 55/25) ging es um einen Fall, in dem ein Gesellschafter einer GmbH – als größter Anteilseigner unter zwei Stammkapitalgebern – bereits im Vorfeld einer anberaumten Gesellschafterversammlung einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellte. Dort sollte der Beschluss zur Einziehung seiner Geschäftsanteile sowie zur Aktualisierung der Gesellschafterliste im Handelsregister herbeigeführt werden.

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Einsichtsrecht von Gläubigern in die Bücher einer liquidierten GmbH

Das Einsichtsrecht von Gläubigern in die Bücher einer GmbH in Liquidation: Entscheidungsanalyse des OLG Bamberg

Einsichtsrecht für Gläubiger bei liquidierten GmbHs: Ein Überblick

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat in seiner Entscheidung vom 6. November 2024 (Az. 10 Wx 20/24) klargestellt, dass Gläubiger GmbH in Liquidation auch nach deren Löschung aus dem Handelsregister ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft haben können. Ausschlaggebend für das Einsichtsrecht ist, dass der Gläubiger ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht – und dafür reicht bereits die Vorlage einer Rechnung aus. Ein gerichtlicher Titel ist nicht erforderlich, weshalb die Anfordernisse für das Einsichtsrecht leicht zu erfüllen sind.

Der zugrunde liegende Sachverhalt in diesem Rechtsstreit

Nach der Löschung einer insolventen GmbH aus dem Handelsregister beantragte eine ehemalige Geschäftspartnerin Einsicht in die Bücher und Unterlagen der Gesellschaft. Sie berief sich auf eine noch offene Forderung, die durch eine vorgelegte Rechnung glaubhaft gemacht wurde. Der zuständige Liquidator verweigerte die Einsichtnahme. Für die Zurückweisung dieses Antrags (als vertretungsberechtigtes Organ im Namen der GmbH in Liquidation) war er nicht berechtigt und das Landgericht gab dem Antrag der Gläubigerin statt. Es sah das berechtigte Interesse gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 GmbHG als ausreichend belegt an.

Hinweis: Zum Schutze anderer berechtigter Interessen, wie bspw. Persönlichkeitsrechten, kann das Einsichtsrecht auch im Umfang beschränkt werden. Dann muss eine Abwägung der Interessen anhand der konkreten Umstände stattfinden, um zu verhindern, dass die berechtigten Interessen von Kunden oder Geschäftspartnern beeinträchtigt werden.

Entscheidung des OLG Bamberg

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Zum Umfang der Pflichten eines Geschäftsführers

Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH hängt maßgeblich vom Umfang seiner jeweiligen Pflichten ab. Spannend wird dies insbesondere dann, wenn die wesentliche Aufgabe der GmbH in der Führung einer Kommanditgesellschaft besteht (GmbH & Co. KG). In diesem Fall besteht ein Haftungsrisiko auch gegenüber der KG und nicht lediglich gegenüber „seiner“ GmbH. Über den genauen Umfang dieser Geschäftsführerpflichten hat das OLG Nürnberg [Urt. v. 30.3.2022 – 12 U 1520/19] entschieden.

Sachverhalt des zu entscheidenden Falls:

Die klagende GmbH & Co. KG macht – vertreten durch eine KommanditistinSchadenersatzansprüche gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend.
Die Klägerin vertreibt Mineralölprodukte und gibt für Kunden mit größeren Fuhrparks auf deren Antrag Tankkarten aus, die das bargeldlose Tanken in von der Klägerin betriebenen Tankstellen ermöglichen.

Nachdem die Einhaltung von Kreditlimits für ausgegebene Tankkarten zunächst nicht kontrolliert worden war, was zu Zahlungsausfällen führte, wurden in der Folge Schulungen für die Geschäftsführung durchgeführt, bei denen die Kreditvergabe an Kunden und das Vier-Augen-Prinzip erörtert wurden.

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Gründung einer Einpersonen-GmbH durch Vertreter ohne Vertretungsmacht

Es ist fast etwas Alltägliches: ein Berater wird beauftragt, auf die Schnelle eine GmbH für einen Mandanten zu gründen. Was dabei irreparabel schief gehen kann hat nun das Oberlandesgericht Stuttgart dargestellt:

Das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht bzw. ohne formgültige Bevollmächtigung bei der Gründung einer Einpersonen-GmbH ist nicht genehmigungsfähig und eine entsprechende Gründungserklärung daher nichtig„.

(Leitsatz der Entscheidung des OLG Stuttgart: Beschluss vom 06.02.2015, Az: 8 W 49/15).

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Geschäftsführer muss im Falle der Insolvenz der GmbH nicht auch Angaben über seine eigenen Vermögensverhältnisse machen

Der BGH hat entschieden, dass der Ruf der GmbH noch verspricht was er hält. Eine Insolvenz der Gesellschaft hat – bis auf strenge Ausnahmen – nichts mit der finanziellen Situation eines Geschäftsfühers zu tun. Das oberste deutsche Gericht hat am 05. März 2015 eine Entscheidung mit folgendem amtlichen Leitsatz getroffen:

Wird gegen eine GmbH ein Insolvenzantrag gestellt, hat der Geschäftsführer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der von ihm vertretenen Gesellschaft einschließlich gegen Gesellschafter und ihn selbst gerichteter Ansprüche Auskunft zu erteilen. Er ist hingegen nicht verpflichtet, über seine eigenen Vermögensverhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen ihn gerichteter Ansprüche Angaben zu machen.

(BGH, Beschluss vom 05.03.2015 – Az: IX ZB 62/14)

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Handelsregisteranmeldungen durch Prokuristen?

In einer kürzlich ergangen Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht Karlsruhe mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine wirksam erteilte Prokura den Prokuristen auch zur Änderung der inländischen GmbH-Geschäftsadresse ermächtigt.

OLG Karlsruhe v. 7.8.2014 – 11 Wx 17/14

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Insolvenz: Beweislast bzgl. Erbringung der Einlage

Ist der Schritt in das Insolvenzverfahren erst einmal gegangen, sehen  die Gesellschafter nicht nur ihre Träume in den Horizont entschwinden, sie sehen sich oft auch Forderungen des jeweiligen Insolvenzverwalters ausgesetzt. Neben Unstimmigkeiten bezüglich Auszahlungen der Gesellschaft an die Gesellschafter liegt ein besonderes Augenmerk auf der Erfüllung der Stammeinlagepflicht. Gerade auf den Insolvenzfall bezieht sich die gesetzgeberische Intention, da die verpflichtende Leistung der Stammeinlage als gläubigerschützenden Ausgleich für die wegfallende persönliche Haftung dient.

Da zwischen Einlagepflicht und Insolvenz allerdings Jahre liegen können, stellt sich die Frage, ob nun die Darlegungs- und Beweislast den betreffenden Gesellschafter oder den geltendmachenden Insolvenzverwalter trifft. Dies und die Frage wie mit den zwischenzeitlich geänderten Verjährungsfristen umzugehen ist, wurde von dem Oberlandesgericht Karlsruhe in einer interessanten Entscheidung entschieden (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.11.2013 – 7 W 45/13):

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