Aktives Zuhören und das kaufmännische Bestätigungsschreiben: Kommunikation und Recht im Einklang

Der durchschnittliche Einwohner in Deutschland versendet mind. 30 Direktnachrichten täglich, die meisten davon per WhatsApp. Freilich ist nicht jede Message erkennbar so relevant wie ein kaufmännnisches Bestätigungsschreiben – aber oft werden unbewusst sehr relevante Sachverhalte mitgeteilt, was der Alltag vor Gericht zeigt, wo immer öfter eine What’s-App-Kommunikation zur Vertragsauslegung und ähnlichen Sachverhalten vorgelegt wird, da auch Selbständige und Manager  – mindestens bei der Kommunikation weniger sensibler Daten – die Kommunikation über Messenger als einfachen Kommunikationsweg schätzen.

Doch wussten Sie, dass durch eine einfache Nachricht – oder noch gravierender: durch die Nichtbeantwortung einer Nachricht über WhatsApp – wirtschaftlich relevante Verträge zustande kommen können?

Der Kern des Problems ist in diesem Fall die „Kommunikation“. Denn wo Kommunikation wichtig ist, sind häufig Missverständnisse auch nicht weit entfernt. Missverständnisse gehören zu den größten Stolpersteinen sowohl in der zwischenmenschlichen Kommunikation als auch im Geschäftsleben.

Ob im Meeting oder beim Vertragsabschluss – werden Botschaften falsch verstanden werden, drohen Konflikte. Doch es gibt bewährte Strategien, um dem vorzubeugen: Aktives Zuhören in der Kommunikationspsychologie und das kaufmännische Bestätigungsschreiben im Handelsrecht. Beide Konzepte – so unterschiedlich sie auf den ersten Blick erscheinen – verfolgen einen ähnlichen Zweck: Sie schaffen Klarheit und vermeiden Missverständnisse. In diesem Artikel schauen wir zunächst in die Kommunikationswissenschaft (Stichwort Schulz von Thun & Co.) und erklären, was aktives Zuhören bedeutet. Anschließend schlagen wir die Brücke zum Handelsrecht und zeigen, wie das kaufmännische Bestätigungsschreiben ganz analog dazu Missverständnisse zwischen Geschäftspartnern verhindert.  

Aktives Zuhören – Schlüssel zur verständlichen Kommunikation

Wichtig ist zunächst zu verstehen, wie wir Nachrichten verstehen. Klingt zunächst paradox ist aber bei näherer Betrachtung gar nicht so eindeutig, wie man zu Glauben scheint. Das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun beschreibt genau dieses Phänomen, nämlich dass eine empfangene Nachricht mehrere Ebenen unseres Empfängerhorizonts tangiert.

Verstehen wir eine Nachricht nun aber mit dem falschen Ohr und projizieren das Problem somit auf eine falsche Ebene kann es zu Missverständnissen kommen. Diesem Problem kann begegnet werden, wenn sich jede Person aktiv darum bemüht solche Missverständnisse zu vermeiden, beispielsweise mit der Methode des Aktiven Zuhörens.

 

Der Psychologe Carl Rogers beschreibt das Konzept des Aktiven Zuhörens als psychotherapeutische Gesprächsführung. Zuhören bedeutet in diesem Konzept metaphorisch dem Gesprächspartner Raum zu geben seine Gedanken und Ideen zu äußern und in diesem Moment – nicht aber auf lange Dauer – die eigenen Befindlichkeiten ein Stück weit zurückzunehmen. Klingt simpel, wird im Alltag aber oft vernachlässigt: Wie oft ertappen wir uns dabei, im Gespräch nur darauf zu warten, selbst etwas zu sagen, anstatt wirklich zuzuhören?

Es gibt verschiedene Techniken, wie man das Aktive Zuhören in der Praxis umsetzen kann. Beispielsweise durch Nachfragen, um missverständliche Sachverhalte zu verstehen oder das Paraphrasieren, denn durch die Wiedergabe des so eben gesagten durch eigene Wörter können Missverständnisse beseitigt werden.

Beim aktiven Zuhören versetzt man sich in die Lage des Gesprächspartners, zeigt echtes Interesse (z. B. durch Blickkontakt, Nicken, offene Körperhaltung) und gibt regelmäßiges Feedback. Dieses bewusste “Zurückspiegeln” der Botschaft stellt sicher, dass Sender und Empfänger ein gemeinsames Verständnis entwickeln – Unklarheiten werden direkt im Gespräch ausgeräumt. Ein aktiv Zuhörender versucht, alle Ebenen des Vier-Ohren Modells zu bedienen und konzentriert sich eben nicht nur auf den reinen Sachinhalt.

Dass aktives Zuhören funktioniert, lässt sich in vielen Kontexten beobachten. Es verbessert Beziehungen und hilft, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen – sowohl im Privatleben als auch im Beruf.

 

 

Vom Gespräch zur Geschäftsverhandlung: Missverständnisse vermeiden 

Nicht nur im persönlichen Gespräch, auch im Geschäftsleben ist richtiges Verstehen essenziell. Gerade Geschäftsführer*innen und Führungskräfte wissen, wie fatal unterschiedliche Auffassungen eines besprochenen Deals sein können. Ein einziger Irrtum über Preis, Menge oder Vertragsbedingungen kann später teuer werden. Daher gilt in der Praxis der häufig gehörte Rat: “Get it in writing” – halte Absprachen schriftlich fest.

Was beim aktiven Zuhören das gesprochene Wort und unmittelbare Rückfragen sind, ist im Geschäftsverkehr das schriftliche Bestätigen von Vereinbarungen. Im deutschen Handelsrecht gibt es hierfür eine bewährte Institution: das kaufmännische Bestätigungsschreiben. Es überträgt gewissermaßen das Prinzip des “Zusammenfassens zur Vermeidung von Missverständnissen” in die juristische Welt.

Stellen Sie sich vor, zwei Unternehmen verhandeln telefonisch über einen Auftrag. Beide glauben, sich einig zu sein – doch in Wahrheit hat jeder ein etwas anderes Verständnis vom Ergebnis. Genau hier setzt das kaufmännische Bestätigungsschreiben an: Einer der Beteiligten schickt nach dem Telefonat eine E-Mail oder einen Brief, in dem er nochmals schriftlich zusammenfasst, was seiner Auffassung nach vereinbart wurde („Wie telefonisch besprochen bestätige ich…“). Dieses Schreiben dient der Klarstellung und Beweissicherung. Der Empfänger kann nun prüfen: Entspricht das Geschriebene meinem Verständnis? Wenn nein, muss er sofort widersprechen. Wenn ja – oder wenn er einfach schweigt – gilt der Inhalt als bestätigt.

 

Kaufmännisches Bestätigungsschreiben (KBS) – Rechtsgrundlagen im Überblick

 Verträge kommen grundsätzlich durch Antrag und Annahme zustande. Es bedarf dazu zweier sich ergänzender Willenserklärungen, die ausdrücklich oder konkludent erklärt werden können. Einem Schweigen auf einen Antrag wird nach den Regeln des BGB kein Wert beigemessen. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben, welches einen Handelsbrauch darstellt, durchbricht diesen Grundsatz, sodass durch ein Schweigen große Verträge zustande kommen können, die von einer Vertragspartei vielleicht gar nicht gewollt sind. Ziel dieses anerkannten Gewohnheitsrechts ist die Vereinfachung des wirtschaftlichen Geschäftsverkehrs und die Vermeidung von Missverständnissen.

Voraussetzungen

  • Kaufmannseigenschaft:

Ob ausschließlich der Kaufmann vom Anwendungsbereich erfasst ist oder ob auch kaufmannsähnliche Berufe betroffen sein können, wird vom Gesetz offengelassen und ist umstritten. Folgt man der wohl herrschenden Meinung, so wird man eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf die freien Berufe bejahen müssen. (Beispiel: Ein selbstständiger Rechtsanwalt ist zwar kein Kaufmann im HGB-Sinne, hat aber genügend Geschäftserfahrung, sodass ihm ein KBS zugerechnet werden kann).

  • Geschäftsverbindung bzw. Erbieten der Geschäftsbesorgung:

Von einer Geschäftsverbindung ist auszugehen, wenn zwischen den Parteien aus der Sicht eines objektiven Dritten erkennbar ist, dass eine auf Dauer angelegte geschäftliche Beziehung besteht und die wiederholte Durchführung von Geschäften beabsichtigt ist. Die Parteien haben mündlich oder telefonisch über einen Vertrag gesprochen, waren sich aber nicht unbedingt in jedem Punkt sicher einig.

Gerade in Fällen – „Haben wir jetzt einen Deal oder nicht? Und zu welchen Konditionen genau?“ – besteht ein Klarstellungsbedürfnis. Früher abgeschlossenen Verträge können dabei als Indiz für eine Geschäftsbeziehung dienen. Auch Verhandlungen per WhatsApp sind bereits ausreichend für dieses Tatbestandsmerkmal. Zwischen den Geschäftsverhandlungen und dem Bestätigungsschreiben ist ein zeitlicher Zusammenhang erforderlich. Ein Zeitraum von 3 Wochen nach Geschäftskontakt wird dabei als zu lang angesehen.

  • Zugang eines Antrags auf sachlich einschlägige Geschäftsbesorgung

Das Schreiben muss einen Antrag im Sinne von §145 BGB darstellen. Es gelten diesbezüglich dieselben Voraussetzungen, wie etwa die hinreichende inhaltliche Bestimmung und Rechtsbindungswille. Das Bestätigungsschreiben soll inhaltlich die Verhandlungsergebnisse wiedergeben. Die bloße Annahme eines Angebots („Auftragsbestätigung“) genügt nicht.

Der Begriff der Geschäftsbesorgung ist anders als in §675 BGB nicht ausschließlich auf Dienst- und Werkverträge beschränkt, sondern umfasst jede selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art für einen anderen und in dessen Interesse. Selbst bei noch vereinzelten offenen Fragen, die sich in der Verhandlung ergeben haben, kann das Schreiben den Vertrag zustande bringen lassen. Es bestehen keine Formerfordernisse für das kaufmännische Bestätigungsschreiben.

(Beispiel: Selbst eine Rechnung kann ein solches Schreiben darstellen).

  • Schweigen

Das Schweigen des Empfängers fingiert die Annahme des kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Nur durch die unverzügliche Antwort in Form eines Widerspruchs kann das Zustandekommen des Vertrags verhindert werden. An das Wort unverzüglich ist der Maßstab des §121 I 1 BGB anzulegen, wonach unverzüglich ohne schuldhaftes Zögern meint. Werden Vertragsverhandlungen durch eine Antwort in der Schwebe gehalten, so findet die Regelung keine Anwendung.

  • Schutzwürdigkeit

Das kaufmännische Bestätigungsschreiben entfaltet keine Rechtswirkung, wenn der Absender bewusst unrichtige oder vom Verhandlungsergebnis inhaltlich entfernte Ergebnisse in das Schreiben aufnimmt.

Gehen einander zwei gegensätzliche Bestätigungsschreiben zu (Kreuzen von Bestätigungsschreiben), so ist jedem dieser Schreiben ein Widerspruch inhärent. Nur in Ausnahmefällen kann durch Schweigen auf eine modifizierte Annahme ein Vertrag unter den abgeänderten Bedingungen zustande kommen, nämlich dann, wenn sich die Abweichungen nur auf Kleinigkeiten bezogen.

  • Rechtsfolge

Durch das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben hin wird die Annahme dieses Schreibens fingiert. Juristisch gesprochen begründet das Schweigen entweder den Vertrag erst neu (falls zuvor noch keiner perfekt geschlossen war) oder es bestätigt lediglich den bereits mündlich geschlossenen Vertrag in der dokumentierten Form.

So oder so: Das Schriftstück schafft Klarheit. Die Einwendung der Anfechtung ist diesem Fall nutzlos, denn die Anfechtungsregeln der §§ 119 – 123 BGB finden keine Anwendung auf die Behauptung, man habe die Rechtswirkung des Schweigens verkannt.

Der Empfänger eines solchen Schreibens kann daher nicht behaupten: „Ich wusste nicht, dass durch mein Schweigen ein Vertrag zustande kommen kann.“ Sinn und Zweck des Schreibens ist die Rechtssicherheit, weshalb ein Anfechtungsrecht diese Sicherheit konterkarieren würde. Anfechtungen hinsichtlich des Inhalts sind aber nach den allgemeinen Vorschriften des BGB zulässig.

 

In Verhandlungen kann es immer wieder zu Unsicherheiten kommen. Manchmal ist man sich unsicher, ob man bereits einen Vertrag geschlossen hat oder man möchte ein schriftliches Beweismittel für den Vertrag haben. In solchen Fällen ist es ratsam das Verhandlungsergebnis in Form eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens zusammenzufassen. Der Vertrag, der zuvor nicht geschlossen wurde, kommt nun nur nicht zustande, wenn die gegnerische Partei widerspricht. Einem möglichen Missverständnis wird begegnet, indem die Rechtsfolge strikt anordnet, dass der Vertrag bei einem Schweigen des Empfängers zustande kommt. Der Empfänger eines solchen Schreibens, weiß daher zwangsläufig, was die Rechtsfolgen sind, wenn er nicht reagiert.

Zusammenfassung und Vergleich zwischen dem Kaufmännischen Bestätigungsschreiben und dem Aktiven Zuhören

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass beide Konzepte auf unterschiedliche Weise das Problem der Misskommunikation bekämpfen. Während beim Aktiven Zuhören vor allem die Antwort das entscheidende Merkmal darstellt, da erst durch die Wiedergabe verifiziert werden kann, ob der Inhalt der ursprünglichen Nachricht richtig verstanden wurde, gibt es beim Kaufmännischen Bestätigungsschreiben kein zweites Element: eine der Parteien fasst aus ihrer Sicht die Ergebnisse zusammen und sendet diese an die andere Vertragspartei.

Das Kaufmännische Bestätigungsschreiben ist daher in seiner Form einseitiger ausgeprägt, als das beim Aktiven Zuhören der Fall ist. Beide Konzepte haben jedoch gemeinsam, dass Missverständnisse durch ein Element der Wiedergabe aufgelöst werden. Sowohl beim Aktiven Zuhören als auch beim Bestätigungsschreiben werden wesentliche Teile des zuvor vereinbarten wiederholt, um Klarheit zu schaffen. Unterschiedlich ist hingegen die Gewichtung in der Praxis. Ein Schreiben entfaltet Rechtswirkung und kann vor Gericht anspruchsbegründend sein. Beim Aktiven Zuhören hingegen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Nachricht sinngemäß verstanden wurde, sollte es aber trotzdem zu Streitigkeiten kommen, hätte die klagende Partei zu beweisen, worauf man sich geeinigt hat. Da das Aktive Zuhören hauptsächlich mündlich geschieht, könnten hier erhebliche Beweisschwierigkeiten liegen, weshalb ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben objektiv mehr Rechtssicherheit bietet.

 

Fazit

Ob in der Kommunikationspsychologie oder im Handelsrecht – letztlich geht es um das Gleiche:

Klare Kommunikation ist das Fundament für Vertrauen und reibungslose Zusammenarbeit.

Das aktive Zuhören lehrt uns, Gespräche durch Nachfragen und Zusammenfassen auf Augenhöhe zu bringen, sodass Sender und Empfänger einheitliche Informationen teilen. Genau dieses Prinzip spiegelt sich im kaufmännischen Bestätigungsschreiben wider: Durch das schriftliche Bestätigen von Verhandlungsergebnissen wird sichergestellt, dass beide Geschäftspartner vom gleichen Verständnis ausgehen und keine Seite im Nachhinein überrascht wird. Für Geschäftsführer und angehende BWLer ist es faszinierend zu sehen, wie zwei so unterschiedliche Disziplinen – Kommunikationswissenschaft und Rechtslehre – hier Hand in Hand gehen. Die Fähigkeit, aktiv zuzuhören, kann also nicht nur interne Konflikte entschärfen, sondern mit ihrem „großen Bruder“, dem Bestätigungsschreiben, auch vor Gericht entscheidend sein.

Kurz gesagt: Wer Missverständnisse vermeiden will, sollte zunächst zuhören können – und dann das Vereinbarte festhalten. Im Meeting wie im Vertrag zahlt es sich aus, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen und Klarheit zu schaffen. So bleiben alle Beteiligten auf dem gleichen Stand, und aus “Habe ich doch so nicht gemeint!” wird gar nicht erst ein Problem. Kommunikation und Handelsrecht verfolgen hier ein und dasselbe Ziel: den Weg frei für erfolgreiches Miteinander – ohne Fallen und Fettnäpfchen.

 

Jan Köster

Rechtsanwalt Jan Köster ist seit 2009 Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht seit 2007 Fachanwalt für Steuerrecht.
Die kanzleiköster ist eine auf das Gesellschaftsrecht spezialisierte Boutique-Kanzlei in Münchens Museums- und Universitätsviertel Maxvorstadt.