Neue Klarheit vom BGH: Keine analoge Anwendung von §179a AktG auf die Publikums-KG

Unterschied zwischen KG und AG

Mit seinem Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. II ZR 137/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine bedeutsame Frage des Gesellschaftsrechts entschieden: Ob § 179a Aktiengesetz (AktG) – der bei der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens einer AG eine qualifizierte Hauptversammlungsmehrheit vorsieht – analog auch bei einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (Publikums-KG) anzuwenden ist. Der BGH verneint dies nun ausdrücklich.

Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz – insbesondere für Immobilien-Publikums-KGs („Prop-Cos“) –, weil sie Klarheit schafft über die erforderlichen Mehrheiten bei wichtigen Beschlüssen über Gesamtvermögensgeschäfte.

Hintergrund: § 179a AktG und die Problematik

  • Nach §179a Abs. 1 AktG bedarf ein Vertrag, durch den eine Aktiengesellschaft (AG) sich verbindlich zur Übertragung ihres gesamten Vermögens verpflichtet, der Zustimmung der Hauptversammlung.
  • Gemäß §179 AktG ist für solche Beschlüsse eine ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals erforderlich.
  • Diese Regelung dient dem Schutz der Aktionäre bei grundlegenden Umstrukturierungen, damit nicht ohne breite Zustimmung ein „Gesamt-Vermögenstransfer“ erfolgt.

In der Literatur und Rechtsprechung war lange umstritten, ob diese Norm auch auf andere Gesellschaftsformen analog angewendet werden kann – etwa auf KGs, insbesondere auf Publikumsgesellschaften mit Kommanditisten, die funktional den Aktionären ähnlich sind.

Noch im Jahr 1995 wurde vom BGH bestätigt, dass die Vorgängerregel des §179a BGB analog auf die KG anzuwenden ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.01.1995 – II ZR 24/94). Erst knapp 25 Jahre später kam es zu einer Kehrtwende, nachdem die analoge Anwendung der Vorschrift auf GmbH-Konstellationen abgelehnt wurde (vgl. BGH, NZG 2019, 505).

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2022, in der der BGH eine analoge Anwendung des § 179a AktG auch auf die Kommanditgesellschaft verneinte, hat er die Frage einer entsprechenden Anwendung auf die Publikums-KG ausdrücklich offengelassen (BGH, NJW 2022, 1878, Rn. 36). Hintergrund ist, dass die typische Publikums-KG in ihrer Struktur einer Aktiengesellschaft angenähert ist und die Einflussmöglichkeiten der Kommanditisten regelmäßig ebenso gering ausgeprägt sind wie diejenigen der Aktionäre.

Sachverhalt des Falls

Die beklagte Gesellschaft war eine Immobilien-Publikums-KG, die eine Liegenschaft (ein Bürogebäude) hielt. Im Gesellschaftsvertrag war festgelegt, dass bestimmte Beschlüsse – z. B. Auflösung – mit 75 %-Mehrheit der Stimmen gefasst werden müssen, andere hingegen mit einfacher Mehrheit. Die Kommanditisten wurden schriftlich über den Vorschlag informiert, das Grundstück zu verkaufen. Bei der Abstimmung stimmte der Kläger (ein Kommanditist) mit „nein“, aber nach Auszählung war eine Mehrheit für den Verkauf vorhanden. Später erhob der Kläger eine Beschlussmängelklage, weil er eine ¾-Mehrheit für erforderlich hielt, analog zu § 179a AktG.

Die Entscheidung des BGH 

Der BGH entschied, dass § 179a AktG nicht analog auf Publikums-KGs anzuwenden ist. Er argumentiert in der Entscheidung, dass bei KGs – auch bei Publikumsgesellschaften – bereits andere gesetzliche Regelungen einen Beschlussvorbehalt für relevante Geschäfte vorsehen (z. B. §§ 116 Abs. 2, 119 Abs. 1, 161 Abs. 2, 164 HGB). Zwischen den Gesellschaftern bestehen Treupflichten, die vor schädlichen Eingriffen schützen. Diese Regelungen würden den Minderheitsgesellschaftern Schutz bieten und eine Kontrolle der Komplementäre sicherstellen.

Außerdem bestehe keine „planwidrige Regelungslücke“

Für eine analoge Anwendung bedarf es einer planwidrigen Lücke im Gesetz. Der BGH sieht solche nicht: Der Gesetzgeber habe bei früheren Reformen (z. B. bei Kapitalmarktrechtsänderungen) die Frage gekannt, aber keine entsprechenden Vorschriften für Publikums-KGs geschaffen. Die strukturellen Unterschiede zur Aktiengesellschaft bleiben auch bei Publikums-Personengesellschaften aufgrund der grundsätzlich personalistischen Konzeption bestehen. Damit fehlt es an der Voraussetzung, dass eine Analogie gerechtfertigt wäre.

Der BGH warnt davor, die Vertretungsmacht in Publikums-KGs durch eine Analogie zu § 179a AktG über Gebühr einzuschränken. Für Vertragspartner müsste sonst im Einzelfall geprüft werden, ob ein Geschäft ein „Gesamtvermögensgeschäft“ ist – das gefährde die Klarheit im Außenverhältnis. Die Rechtssicherheit im Außenverhältnis sei ein wichtiger Aspekt, den der Gesetzgeber mit solchen Beschränkungen nicht tangieren wollte.

In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass es unverständlich sei, weshalb Aktionäre einen weiteren Schutz vor Alleingängen der Geschäftsführung genießen sollten, als Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft (Heckschen, GWR 2022, 174). 

Andrerseits wird auf die bestehenden Unterschiede zwischen Kapital und Personenhandelsgesellschaften hingewiesen und somit eine analoge Anwendung abgelehnt (Ebbinghaus/Metzen, NZG 2022, 697, 701).

Bedeutung für die Praxis: Rechtssicherheit für KG’s

Die Entscheidung des BGH hat für die Praxis mehrere wichtige Implikationen:

  1. Publikums-KGs (Prop-Cos) gewinnen Planungssicherheit
    • Bei Immobilien-KGs mit vielen Kommanditisten ist jetzt klar: Sie müssen nicht eine ¾-Mehrheit analog zu § 179a AktG einholen, wenn ihr Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorsieht.
    • Solche Gesellschaften können Beschlüsse über wesentliche Vermögensübertragungen auch mit einfacher oder vertraglich vereinbarter Mehrheit fassen – sofern dies im Gesellschaftsvertrag geregelt ist.
  2. Vertragliche Gestaltung wird entscheidend
    • Gesellschaftsverträge von KGs müssen sorgfältig ausgestaltet werden. Wer Einfluss auf signifikante Entscheidungen haben will, muss sicherstellen, dass entsprechende Mehrheits- und Beschlussregelungen im Vertrag stehen.
    • Minderheitskommanditisten sollten besonders auf vertraglich gesicherte Kontroll- und Zustimmungsrechte achten
  3. Vertragsparteien im Außenverhältnis
    • Käufer von KG-Gesellschaften oder Immobilien-KGs können sich in Bezug auf Gesellschafterbeschlüsse nicht auf die strengen Regelungen des AktG verlassen.
    • Stattdessen müssen sie den Gesellschaftsvertrag prüfen, um die Beschlussfähigkeiten und Vertretungsbefugnisse der Komplementäre einzuschätzen.
  4. Gesetzgeberischer Spielraum bleibt
    • Der BGH weist darauf hin, dass es in den Händen des Gesetzgebers liegt, Sonderregelungen für Publikums-KGs zu schaffen, wenn man den Schutz der Kommanditisten weiter verstärken will.
    • Bis dahin gilt: Die vorhandenen HGB-Regelungen genügen aus Sicht des BGH, um Minderheiten angemessen zu schützen.

Fazit vom Fachanwalt für Gesellschaftsrecht

Das Urteil BGH, II ZR 137/23 vom 8. Juli 2025 ist ein Meilenstein in der Kapital- und Gesellschaftsrechts-Rechtsprechung, denn es betont, dass der gesetzliche Schutz von Minderheitsgesellschaftern bei Publikums-KGs bereits durch HGB-Regelungen gewährleistet ist. Mithin kann nun in KG’s die Vertragslage individuell auf die Bedürfnisse angepasst werden, ohne dass hinsichtlich § 179a AktG Sorge bestehen muss, dass Regelungen im Gesellschaftvertrag ausgehebelt werden.

Jan Köster