Sozialversicherungspflicht für GmbH-Geschäftsführer

Das Thema der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern bzw. die Vermeidbarbarkeit einer solchen Pflicht (Sozialversicherungsfreiheit) ist im Rahmen der Gründung einer GmbH, aber auch im weiteren Verlauf der Unternehmensführung aus folgenden Gründen sehr wichtig im Blick zu haben:

Mangelnde Kenntnisse im Hinblick auf die gesetzlichen Grundlagen und die komplexe Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht von geschäftsführenden Gesellschaftern können zu unüberlegten und folglich ungünstigen Gestaltungen von Gesellschafter- und Geschäftsführerverträgen führen, sodass durch Erfüllung der gesetzlichen Merkmale automatisch eine (zum Teil ungewollte) Beitragspflicht ausgelöst wird. Die aufgrund einer Verkennung der Beitragspflicht resultierende Nichtentrichtung der Beiträge führt dann gegebenenfalls zu hohen Nachzahlungsforderungen bspw. nach einer Betriebsprüfung. Die Nachforderungen haben dabei oft eine existenzgefährdende Höhe, insbesondere wenn diese überraschend kommt.

Darüber hinaus umfassen Sozialversicherungsbeiträge einen nicht unwesentlichen Anteil des Geschäftsführergehalts, sodass es aus unternehmerischer Sicht insgesamt vorteilhafter sein kann, privat nach Ermessen vorzusorgen. Ferner gewinnt das Thema auch aktuell dadurch an Relevanz, dass im Rahmen von Betriebsprüfungen stärkeres Augenmerk auf die Sozialversicherungspflichtigkeit geschäftsführender Gesellschafter gelegt wird.

Um Konflikten im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht entgegenzuwirken ist es ratsam, sich rechtzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen, damit passende Entscheidungen getroffen und böse Überraschungen vermieden werden können. In diesem Beitrag sollen daher die rechtlichen Grundlagen der Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer einer GmbH mit besonderer Schwerpunktsetzung auf die Fälle der Gesellschafter-Geschäftsführer im Lichte der aktuellen Rechtsprechung dargestellt werden.

Kriterien die für und gegen die Sozialversicherungspflicht des Gmbh Geschäftsführers sprechen.
Kriterien die für und gegen die Sozialversicherungspflicht des Gmbh Geschäftsführers sprechen.

Was ist die Sozialversicherungspflicht?

Die Sozialversicherungspflicht ist ein im Sozialgesetzbuch (SGB) geregelter Versicherungszwang, mit dem ein bestimmter Personenkreis kraft Gesetztes gegen existenzbedrohende Umstände abgesichert werden soll. Die Sozialversicherung erstreckt sich auf die fünf folgenden Zweige:

1.

Arbeitslosenversicherung (geregelt in SGB III)

2.

gesetzliche Krankenversicherung (SGB V),

3.

Rentenversicherung (SGB VI)

4.

gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)

5.

soziale Pflegeversicherung (SGB XI).

Da die Beitragspflicht gesetzlich entsteht, ist der Abschluss eines Versicherungsvertrags hierfür nicht erforderlich.

 

  1. Wann ist der Geschäftsführer einer GmbH versicherungspflichtig?

Zunächst muss gemäß § 30 I SGB I die als Versicherungspflichtiger in Betracht kommende Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, damit die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs anwendbar sind.

Die Sozialversicherungspflicht im Falle des GmbH-Geschäftsführers wird bei allen Versicherungszweigen an die „Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt“ geknüpft (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V -gesetzliche Krankenversicherung-, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI – soziale Pflegeversicherung-, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI – gesetzliche Rentenversicherung-, § 25 Abs. 1 SGB III – Arbeitslosenversicherung-, § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII- gesetzliche Unfallversicherung). Gemeint ist damit das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer, in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit, wie § 7 I SGB IV verdeutlicht. Sozialversicherungspflichtig ist demnach nur der Geschäftsführer, der abhängig beschäftigt ist. Bei selbstständiger Tätigkeit entfällt die Beitragspflicht.

HINWEIS FÜR GESELLSCHAFTER-GESCHÄFTSFÜHRER:

Eine für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH relevante Ausnahme hiervon besteht im Rahmen der Rentenversicherung gemäß § 2 Nr. 9 SGB VI, wonach auch selbstständige Personen der Sozialversicherungspflicht unterliegen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind;  wobei vorliegend unter Auftraggeber solche der Gesellschaft zu verstehen sind.

Versicherungsfreiheit für Gutverdiener

bei Pflegeversicherung / Krankenversicherung

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass bei Überschreitung eines Jahresgehalts von 56.250 Euro (Stand 2016) bezüglich der gesetzlichen Krankenversicherung und der mit ihr zusammenhängenden sozialen Pflegeversicherung  Versicherungsfreiheit vorliegt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 SGB V in Verbindung mit der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2016; § 20 Abs. 1 SGB XI). Da in Deutschland für jeden eine Krankenversicherungspflicht besteht, führt dies jedoch zu keiner vollständigen Entlastung hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge sondern  lediglich zu  einem Wahlrecht zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung auf freiwilliger Basis und einer privaten Krankenversicherung.

Fazit:

Die Frage ob ein Geschäftsführer abgängig oder selbstständig tätig ist, bildet somit insgesamt den Dreh- und Angelpunkt der Sozialversicherungspflicht.

 

  • Abhängig oder nicht abhängig, das ist hier die Frage!

Zur Einordnung des Geschäftsführers als sozial abhängig oder selbstständig liefert der Wortlaut des Gesetzes kaum Anhaltspunkte. Lediglich  werden in § 7 Abs.2 S. 2 SGB IV „eine Tätigkeit nach Weisungen“ und „eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ als Kriterien für das Vorliegen einer abhängigen Tätigkeit angeführt.

In der Rechtsprechung haben sich jedoch zahlreiche Kriterien herausgebildet, anhand derer die Tätigkeit des Geschäftsführers sozialversicherungsrechtlich beurteilt werden kann.  Im Grunde dienen diese Kriterien dazu, herauszuarbeiten, ob der Geschäftsführer einen derartigen Einfluss auf die Gesellschaft hat, dass er

 

durch freies Schalten und Walten  die Geschicke der Gesellschaft bestimmen

und diese damit beherrschen kann.

In dem Fall ist ein Geschäftsführer nicht mehr als abhängig einzustufen und die Sozialversicherungspflicht zu verneinen. Er hat dann die oft gewünschte Sozialversicherungsfreiheit erlangt. Ausgangspunkt  für diese Betrachtung bildet die Höhe der Kapitalbeteiligung.

 

Wie bestimmt wird, ob

Sozialversicherungspflicht oder Sozialversicherungsfreiheit

vorliegen, wird hier anhand der Rechtsprechung dargestellt:

 

  1. Ausgangspunkt: Kapitalbeteiligung

Zentrales Kriterium zur Bestimmung der Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers ist die Beteiligung am Kapital in Form von Geschäftsanteilen.

  • Geschäftsanteil von über 50%

Bei Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern (Geschäftsanteil von über 50%) wird von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen und die Sozialversicherungsfreiheit bejaht, da in diesen Fällen die Geschicke der Gesellschaft durch die Einflussnahme in Gesellschafterversammlungen entscheidend beherrscht werden.

Dieses soll nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts übrigens auch dann gelten, wenn ein besonderer Beirat geschaffen worden ist.

  • Gesellschafter mit hälftiger Beteiligung (50%-Gesellschaftsanteil)

Der Gesellschafter-Geschäftsführer, der mit einem Anteil von 50 % an der GmbH beteiligt ist, ist nach aktueller Rechtsprechung regelmäßig nicht sozialversicherungspflichtig (BSG, Urteil vom 17.05.2001, B 12 KR/00 R).

Etwas anderes kann für diese Konstellation beispielsweise dann gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer  als Treuhänder die Gesellschaftsanteile an der GmbH hält und aufgrund der treuhänderischen Bindung in der Ausübung seiner Gesellschafterrechte vollständig beschränkt ist

 

UPDATE:

Trendwende: Die aktuelle Rechtsprechung des BSG mit dem ausschlaggebenden Kriterium der Rechtsmacht

Nach der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) reichen die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich des maßgeblichen Einflusses des Geschäftsführers auf die Geschicke der Gesellschaft nicht mehr aus.

Die Änderung der Rechtsprechung des BSG von der „Kopf und Seele Rechtsprechung“ hat sich zuletzt in einem Urteil aus dem Jahr 2018 bestätigt. „Gesellschafter-Geschäftsführer sind aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung nur dann selbständig tätig, wenn sie mindestens 50 von Hundert der Anteile am Stammkapital halten oder ihnen bei geringer Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine „echte“/“qualifizierte“ Sperrminorität eingeräumt ist.“ (vgl. BSG Urteil vom 14.03.208 mit dem Aktenzeichen B 12 KR 13/17)

Die tatsächlichen Umstände, aus welchen sich der beherrschende Einfluss früher ergeben konnte, reichen damit heute nicht mehr aus zur rechtlichen Qualifizierung als selbständig und daher sozialversicherungsfrei. Die tatsächlichen Verhältnisse sind rechtlich unbeachtlich, da sie jederzeit veränderbar sind. Es kommt daher gerade auf die rechtliche und nicht die tatsächliche Möglichkeit an, sich als Geschäftsführer Weisungen zu widersetzen.

Mithin sind also Gestaltungsmöglichkeiten gefragt, die eine Weisungsfreiheit des Geschäftsführers darlegen. Insoweit kommt grds. neben einer

SPERRMINORITÄT

die Möglichkeit einer

STIMMBINDUNG

oder ein

VETORECHT GEGEN WEISUNGEN DER GESELLSCHAFTERVERSAMMMLUNG

in Betracht. Hierzu werden noch weitere Ausführungen in aktuelleren Beiträgen folgen. Für eine individuelle Beratung können Sie jederzeit Kontakt mit uns aufnehmen.

 

Hinweis für treuhänderische Beteiligungen:

Gesellschafter, die Geschäftsanteile nur als Treuhänder halten, sind hiervon ausgenommen, da diese regelmäßig in ihren Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sind und somit tatsächlich der Treugeber die Gesellschaft beherrscht.

 

Die folgenden Ausführungen sind aufgrund des oben erwähnten klaren Wechsels in der Rechtsprechung allenfalls noch aus rechtshistorischen Gründen relevant:

 

  • Geschäftsanteil von unter 50% mit umfassender Sperrminorität

Geschäftsführende Minderheitsgesellschafter mit umfassender Sperrminorität werden wie Mehrheitsgesellschafter behandelt. Eine umfassende Sperrminorität besteht, wenn der Gesellschafter aufgrund von Regelungen im Gesellschafts- und Geschäftsführervertrag die Rechtsmacht hat, Entscheidungen durch eine Sperrminorität zu verhindern. Diese Konstellation wird mit dem Mehrheitsgeschäftsführer gleichgestellt, da auch hier die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer keine Weisungen gegen seinen Willen erteilen kann; er ist also nicht weisungsgebunden wie ein abhängig Beschäftigter.

Hinweis für die gesellschaftsrechtliche Praxis:

Eine derartige Sperrminorität kann durch entsprechende Regelungen des Gesellschaftervertrags in Bezug auf die erforderliche Stimmmehrheit zur Beschlussfassung (sodass der geschäftsführende Gesellschafter nicht mehr überstimmt werden kann) oder durch Einräumung eines Vetorechts erfolgen.

Eine auf unternehmenspolitische Entscheidungen beschränkte Sperrminorität (wie zB. Änderung des Gesellschaftsvertrags, Auflösung der Gesellschaft) reicht hierfür  nicht aus.

Unabhängig von alledem fordert das BSG  zudem, dass die gesellschaftsvertraglich verankerte Sperrminorität beständig ist und sich der Minderheitsgesellschafter im Konfliktfall gegen eine Entziehung seiner Sperrminorität wehren kann (BSG Urt. v. 11.11.2015 hier hat eine nur schuldrechtliche Vereinbarung gerade nicht ausgereicht).

Alternativ zu der Sperrminorität kann über die Verhinderung einer Weisungsgebundenheit durch ein VETORECHT nachgedacht werden. Dies ist gegenüber der Sperrminorität nachgelagert, denn es wird zwar das Zustandekommen eines Gesellschafterbeschlusses nicht verhindert, jedoch hier dem Geschäftsführer eine Vetorecht eingeräumt, welches ihn befugt, den gefassten Beschluss nicht folgen zu müssen. Wenn diese Konstellation gewählt werden soll, ist darauf zu achten, dass es sich hierbei nur dann um ein Argument gegen die Weisungsgebundenheit handelt, wenn dieses Vetorecht nicht entzogen werden kann.

Noch nicht geklärt ist die Konstellation bei Muttergesellschaften, die ihrerseits die Anteile halten und an der dann der Geschäftsführer beteiligt ist und hierdurch Einfluss auf die Entscheidungen nehmen kann.

  • Geschäftsanteil von unter 50% mit beschränkter-, bzw. ohne Sperrminorität

Ist der Geschäftsführer ein Minderheitengesellschafter ohne umfassende Sperrminorität, wird die Sozialversicherungspflicht dann bejaht, wenn nicht das Gesamtbild im Rahmen einer Abwägung für eine Selbstständigkeit spricht. Dazu unter 5. mehr.

  • Fremdgeschäftsführer

Bei sog. Fremdgeschäftsführern, also Geschäftsführern ohne Geschäftsanteil, ist ein von der Gesellschaft abhängiges Arbeitsverhältnis anzunehmen und die Sozialversicherungspflicht zu bejahen.

Keine Ausnahme mehr für Familiengesellschaften:

Nach seiner früheren Rechtsprechung machte das Bundessozialgericht (BSG) lediglich Ausnahmen von diesem Prinzip bei Familiengesellschaften, in denen der Fremdgeschäftsführer mit dem einzigen Gesellschafter in gerader Linie verwandt war und bei denen von einem Weisungsrecht kein Gebrauch gemacht wurde, da das Verhältnis durch gegenseitige familiäre Rücksichtnahme geprägt war. In diesen Fällen wurde die Sozialversicherungspflicht verneint, da der Geschäftsführer sich nach dem Gesamtbild wie der Alleininhaber einer GmbH verhalte und tatsächlichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausübe. Diese Rechtsprechung wurde mittlerweile aufgegeben, sodass es in jüngster Zeit ausschließlich auf das zuvor gesagte ankommt.

 

  1. Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung ohne umfassende Sperrminorität

Kriterien zur Gesamtbetrachtung

Die Beurteilung, ob ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ohne (umfassende) Sperrminorität als abhängig oder selbstständig anzusehen ist, hängt von einer Gesamtbetrachtung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände ab, je nachdem ob nachfolgende Merkmale für die eine oder andere Typisierung prädominieren. Dabei kommt es nicht auf ein zahlenmäßiges überwiegen an, da die jeweiligen Kriterien durch Verwaltung sowie Rechtsprechung unterschiedlich stark gewichtet werden.

Den Ausgangspunkt für die Gesamtbetrachtung bildet immer das Vertragsverhältnis. Zwar hat das Bundessozialgericht noch in seinem Urteil vom 22.06.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 RdNr. 7) ausgeführt, dass bei Abweichen der Vereinbarung von den tatsächlichen (in der Gesellschaft gelebten) Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch wurde diese Aussage später dahingehend präzisiert, dass die tatsächlichen Umstände nur soweit den formellen Vereinbarungen vorgehen, wie sie im Rahmen des rechtlich zulässigen vollzogen werden (BSG 25.01.2006- B 12 KR 30/04 R- USK 2006-8; 28.05.2008- B 12 KR 13/07 R).

Somit kommt es immer auf das Vertragsverhältnis an,  „so wie es sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus den gelebten Beziehungen erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht nur vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts, beispielsweise des Weisungsrechts, unbeachtlich ist, solange die Position nicht wirksam abbedungen wurde.“ (BSG 29.08.2012- B 12 KR 25/10 R; siehe auch SG München 13.02.2014- S 15 R 825/12)

Aktuell bilden die Tragung eines Unternehmerrisikos und das Vorliegen bestimmter Stimmbindungsverträge die am stärksten gegen eine persönliche Abhängigkeit sprechenden Kriterien.

Danach folgen als vornehmlich wichtig das Vorliegen einer eigenen Betriebsstätte, die Möglichkeit einer freien Gestaltung der Tätigkeit und der Verfügung über die eigene Arbeitskraft.

Bezüglich der Bedeutung des Kriteriums der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Gesellschaft vom Geschäftsführer herrscht Uneinigkeit.

Einer Einzelvertretungsbefugnis sowie der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB kommt keine eigenständige Bedeutung mehr zu.

Unternehmerrisiko durch Gehaltsgestaltung:

Welches Gewicht das Kriterium der Risikotragung besitzt, verdeutlicht eine jüngere Entscheidung des SG München vom 13.02.2014- S 15 R 825/12-, in der es eine Selbstständigkeit sogar bei Nichtbestehen eines maßgeblichen Einflusses des Geschäftsführers auf die Geschicke Gesellschaft annahm. Entscheidend wurde darauf abgestellt, dass im Übrigen das volle unternehmerische Risiko getragen wurde, da sich im Geschäftsführervertrag statt einer festen Vergütungsvereinbarung eine Beteiligung an Gewinn und Verlusten durch ein variables Gehalt in Höhe eines Drittels der jeweiligen Projekterträge vereinbart wurde. Ergänzend wurde eine monatliche Abschlagszahlung von 5.000€  als Vorschusszahlung vereinbart, die bei Jahresende auf das variable Gehalt angerechnet wurde. Bei Verlusten bedeutete dies eine Reduzierung des Geschäftsführergehalts auf Null, bei hohen Gewinnen konnte dies zu einer über dem Verhältnis der Kapitalbeteiligung liegenden Gewinnbeteiligung führen. Auch wenn die dargelegte Entscheidung mit Vorsicht zu genießen ist, da das entscheidende Gericht selbst schon den Ausnahmecharakter im Verhältnis zur Gesamtrechtsprechung hervorhebt und die Risikotragung besonders ausgeprägt war, so kann dem jedoch die große Bedeutung des Unternehmerrisikos für die Annahme einer Selbstständigkeit entnommen werden. Zur Begründung eines die persönliche Abhängigkeit ausschließenden Risikos sind zwar auch moderatere Gehaltsvereinbarungen möglich, nicht ausreichend ist im Regelfall allerdings allein die Vereinbarung einer Gewinntantieme, da dessen Gewährung an einen Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist. Eine solche Tantieme spricht zwar gegen eine Abhängigkeit, besitzt für eine Abgrenzung zum Arbeitnehmer jedoch relativ geringe Bedeutung, insbesondere, wenn diese nicht einen substantiellen Teil des Geschäftsführergehalts ausmacht.

Darlehensgewährung:

Neben bestimmten Gehaltsregelungen können auch die Gewährung hoher Darlehensbeträge an die Gesellschaft bzw. für diese übernommene Bürgschaften im Einzelfall Indizwirkung für eine Risikotragung entfalten. Das Vorliegen solcher Umstände hat allerdings keinen ähnlich dominierenden Charakter und kann allenfalls in die allgemeine Gesamtbetrachtung mit den restlichen Kriterien einfließen (SG Dortmund 21.03.2014- S 34 R 580/13, LSG Hamburg 29.05.2013- L 1 KR 89/10). Laut Rechtsprechung des LSG Hamburg (Urteil vom 29.05.2013 L 1 KR 89/10) indiziert die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft dann keine Selbstständigkeit, wenn diese in erster Linie aufgrund der Stellung als Gesellschafter und nicht aufgrund der Dienstpflicht als Geschäftsführer übernommen wurde. In dem Fall läge nämlich keine Risikoübernahme in Bezug auf die Geschäftsführertätigkeit vor. Dieser Gedanke lässt sich sicherlich auch auf die Gewährung von Darlehen übertragen, da es nicht unüblich ist, dass beispielsweise auch Arbeitnehmer zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes bei kleineren Unternehmen in einer Krise, solche gewähren. Insgesamt können Darlehen und Bürgschaften somit nur dann relevante Kriterien zur Feststellung einer Selbstständigkeit herangezogen werden, wenn diese aufgrund einer Dienstpflicht des Geschäftsführers übernommen werden und besondere Umstände vorliegen, wie etwa eine besondere Höhe der Bürgschaft oder des Darlehens.

Eigenkapital:

In einer Entscheidung des LSG Rheinland Pfalz vom 12.11.2014- L 4 R 556/13 – wurde als Risikobegründender und gegen eine Abhängigkeit sprechender Faktor auch „eingebrachtes Eigenkapital in beträchtlicher Höhe“ angesehen. Vor dem Hintergrund, dass sich die Höhe des eingebrachten Eigenkapitals im Verhältnis zum Gesamtkapital relativiert und die Beteiligung am Gesamtkapital in Form von Geschäftsanteilen wie oben dargestellt ohnehin als zentrales Kriterium für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht herangezogen wird, ist fraglich, ob diese Betrachtungsweise der nächsten Instanz standhalten würde.

Stimmbindungsverträge:

Auch Stimmbindungsverträge stellen ein wesentliches Kriterium gegen das Vorliegen einer Abhängigkeit dar. Selbst bei Vorliegen von typischen arbeitsvertraglichen Elementen kann allein das Vorliegen solcher Verträge zu einer Bejahung der Selbstständigkeit führen, da sie in bestimmten Konstellationen faktisch die Wirkung einer Sperrminorität entfalten.

Der Stimmbindungsvertrag begründet eine schuldrechtliche Verpflichtung der unterzeichnenden Gesellschafter, ihre Stimmrechte in einem bestimmten Sinne auszuüben (zB. Beschlussfassung nur bei Einstimmigkeit). Wie die Stimmrechte ausgeübt werden sollen kann im Stimmbindungsvertrag oder durch formlose Konkretisierung durch späteres Versprechen zustande kommen. Da es sich um einen Nebenvertrag auf schuldrechtlicher Basis handelt, bleibt eine im Verstoß gegen den Vertrag abgegebene Stimme zwar gültig, sodass keine unmittelbare Auswirkung auf die Willensbildung der Gesellschaft besteht. Allerdings kann ein entgegen dem Stimmbindungsvertrag zustande gekommener Beschluss, für den Fall, dass der Stimmbindungsvertrag durch alle Gesellschafter unterzeichnet wurde, aus Vereinfachungsgründen nach der Rechtsprechung mit einer Klage gegen die Gesellschaft angefochten werden (BGH 20.01.1983- II ZR 243/81, bestätigt durch BGH 27.10.1986- II ZR 240/85). Der Stimmbindungsvertrag kann dem geschäftsführenden Gesellschafter somit eine Rechtsmacht einräumen, die es ihm wie bei Vorliegen einer Sperrminorität erlaubt, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern.

Gesellschaftsrechtliche Stimmbindungsverträge, die ihren Niederschlag im Gesellschaftsvertrag gefunden haben sind ohnehin geeignet, die erforderliche Rechtsmacht des Gesellschafters zu begründen.

Besondere Branchenkenntnisse:

Das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Gesellschaft von ihrem geschäftsführenden Gesellschafter aufgrund von besonderen Branchenkenntnissen bzw. seiner besonderen Rolle in der Betreuung von Kunden als „Kopf und Seele“ des Unternehmens wird von der Rechtsprechung uneinheitlich behandelt. Größtenteils wird es als von untergeordneter Bedeutung gesehen, da besonders kleinere Firmen üblicherweise vom Fachwissen und den Kundenkontakten ihres leitenden Angestellten abhängig sind (SG Dortmund 21.03.2014- S 24 R 580/13).

Akquise von Großkunden:

Andererseits gibt es aber auch Entscheidungen, bei denen die derartige wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens vom geschäftsführenden Gesellschafter als besonders wichtig eingestuft wird, wenn dieser etwa diejenigen Großkunde akquiriert, die den wesentlichen Teil des Geschäfts ausmachen oder die Gesellschaft aufgrund seines außergewöhnlichen Fachwissens persönlich dominiert (Bsp. LSG Baden –Württemberg 26.06.2012 L 11 KR 2769/11; SG München 13.02.2014- S 15 R 825/12).

Einzelvertretungsbefugnis und Befreiung von § 181BGB:

Dem Vorliegen einer Einzelvertretungsbefugnis sowie einer Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB kommt weitestgehend kein eigenständiges Gewicht mehr zu. Beide Kriterien werden jedoch nach wie vor bei Entscheidungen zugunsten einer Selbstständigkeit zur Verdichtung des Gesamtbilds mitgenannt.

Indizien für das Vorliegen einer Arbeitnehmerschaft:

Für die Einordnung als Arbeitnehmer sprechen vornehmlich die

Eingliederung in einen fremden Betrieb,

das Unterliegen einem umfassenden Weisungsrecht bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung,

Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz,

ein festes Geschäftsführergehalt,

die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und

Kündigungsregelungen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei das Kriterium der Weisungsgebundenheit, da dessen vorliegen nahezu immer zur Bejahung der Abhängigkeit führt.  Im Anlehnung an das eingangs zu Abweichungen von formalen Vereinbarungen gesagte kann nicht oft genug erwähnt werden, dass es bezüglich des Weisungsrechts nicht darauf ankommt, ob ein solches tatsächlich ausgeübt wird, sondern allein darauf, wie die Rechtsmacht z.B. bei einem Zerwürfnis ausgeübt werden könnte. Vermieden werden soll damit, dass eine „Schönwetterzuständigkeit“ die Vorhersehbarkeit von sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Tatbeständen beeinträchtigt.

Obwohl jedes der aufgezählten Kriterien bei Vorliegen des Gegenteils denklogisch als Argument für die Gegenseite verwendet werden kann, zB. die Weisungsfreiheit für eine Selbstständigkeit spricht, ist zu beachten, dass einer Weisungsfreiheit nicht dieselbe Aussagekraft zu Gunsten einer Sozialversicherungsfreiheit zukommt, wie der Weisungsgebundenheit für die Sozialversicherungspflicht. Insbesondere bei höheren Diensten ist aufgrund der speziellen Kenntnisse des Arbeitnehmers die Ausübung des Weisungsrechts ohnehin kaum möglich.

Wie weit die Lockerung gehen kann ist beispielhaft an den gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung zu erkennen, vgl. § 1 S. 4 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III. Der Gesetzgeber geht demnach auch bei Vorstandsmitgliedern von einer abhängigen Beschäftigung aus, sodass sie in den genannten Vorschriften von der Versicherungspflicht ausgenommen werden konnten. In Fällen höherer Dienste  ist die Weisung allerdings zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert“. Dann reicht für eine Fremdbestimmtheit bereits aus, dass Dienste in einer von fremder Seite vorgegebenen Ordnung aufgehen.

  1. Rechtstipp:

Zu beachten ist, dass die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Minderheitengesellschafter-Geschäftsführers stark einzelfallabhängig ist. Deshalb empfiehlt es sich, bei der als bundesweiten Clearingstelle zuständigen Deutschen Rentenversicherung Bund auf Antrag ein Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a Abs. 1 SGB IV durchführen zu lassen. Im Rahmen dieses Verfahrens werden sachdienliche Hinweise erteilt und durchgeführte Vertragsänderungen auch noch berücksichtigt.

Allerdings tendieren sowohl die Sozialversicherungsträger, die Clearingstelle als auch die Gerichte bei Vorliegen einiger/weniger typischer Arbeitnehmerkriterien häufig dazu, eine Sozialversicherungspflicht anzunehmen. Um in Zweifelsfällen darauf aufbauende Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen, empfiehlt sich eine rechtzeitige Rechtsberatung VOR DURCHFÜHRUNG EINES STATUSFESTSTELLUNGSVERFAHRENS, denn dann kann sowohl in der Gestaltung der zugrundeliegenden Verträge (Geschäftsführerdienstvertrag, Gesellschaftsvertrag sowie ggf. auch Geschäftsordnung oder Gesellschaftervereinbarung) auf das gewünsche Ziel (meist Befreiung von der Sozialversicherungspflicht) hingearbeitet werden. Wir haben darüber hinaus die Erfahrung gemacht, dass Erläuterungen im Hinblick auf die individuelle Situation unter Berücksichtigung der ständigen und auch aktuellen Rechtsprechung sehr sinnvoll sind, um schon bei der ersten Einschätzung bessere Ergebnisse zu erzielen.

 

Jan Köster

Rechtsanwalt Jan Köster ist seit 2009 Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht seit 2007 Fachanwalt für Steuerrecht.
Die kanzleiköster ist eine auf das Gesellschaftsrecht spezialisierte Boutique-Kanzlei in Münchens Museums- und Universitätsviertel Maxvorstadt.