Die Haftung des GmbH Geschäftsführers ist einem steten Wandel unterworfen und wird durch die Rechtsprechung kontinuierlich weiterentwickelt. Als Geschäftsführer einer GmbH trifft man täglich Entscheidungen, die teilweise weitreichende Konsequenzen haben. Gerade in einem schnelllebigen Marktumfeld wird es von Geschäftsführern schlicht erwartet, dass er auch ohne allumfassende Informationen gewisse Risiken eingeht, um beispielsweise wichtigte Aufträge nicht reihenweise an die agilere Konkurrenz zu verlieren.
In einem solchen Umfeld ist es selbstverständlich, dass Fehler passieren. Nicht umsonst ist das Forschungsfeld „decision making under uncertainty“ seit Jahren eines der angesagtesten Themen unter Ökonomen und Psychologen. Trotz dem Bewusstsein der Fehlerhaftigkeit menschlicher Entscheidungen, ist irgendwann der Punkt des Akzeptierten überschritten und tritt in diesem Fall die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH ein.
Wann haftet der GmbH Geschäftsführer
Der Gesetzgeber hat hierfür insbesondere § 43 II GmbHG geschaffen, welcher eine Haftung des Geschäftsführers dann vorsieht, wenn er seine “ Obligenheiten verletzt“. Dieser sehr weite und unpräzise Begriff wird durch die Rechtsprechung seit Jahren mit Leben gefüllt. Im Anschluss habe ich ohne den Anspruch auf Vollständigkeit einige wichtigte Entscheidungen herausgegriffen und die Essenz beleuchtet.
Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung von GmbH Geschäftsführern:
LG Hannover, Urteil vom 08.02.2016 – 1 O 169/13- Faktischer Geschäftsführer und Haftung
Das Landgericht Hannover hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Voraussetzungen im konkreten Fall für die Beurteilung maßgeblich sind, ob jemand als s.g. „faktischer Geschäftsführer“ einer GmbH auftritt und somit wie ein Geschäftsführer haftbar gemacht werden kann.
Das Landgericht führt aus, dass es für die Bewertung auf das Gesamterscheinungsbild des Auftretens ankommt. Dabei ist es nicht notwendig, dass der faktische Geschäftsführer die wirkliche Geschäftsführung komplett aus ihrem Aufgabenbereich verdrängt. Vielmehr sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass der Betreffende „die Geschicke der Gesellschaft- über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus- durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt“, maßgeblich in die Hand genommen hat.
Im konkreten Urteil wurde daher ein formell gesehen weisungsabhängiger und schutzbedürftiger Arbeitnehmer durch die Kammer faktisch als Geschäftsführer bewertet, weil er selbstständig über einen längeren Zeitraum Personalgespräche führte und angesichts der geringen Größe des Betriebes damit die Außenwirkung eines Geschäftsführers einnahm.
Ferner hatte der Arbeitnehmer Einnahmen der Gesellschaft auf ein durch ihn eingerichtetes Konto eingezahlt und war gegenüber der Bank so faktisch als Geschäftsführer der GmbH aufgetreten. Die Kammer verglich also im Ergebnis die Aufgaben eines durchschnittlichen Geschäftsführers der konkreten Betriebsgröße und die damit einhergehenden Gepflogenheiten im Verkehr mit dem faktischen Gesamterscheinungsbild des Beklagten.
OLG München, Urteil vom 8.7.2015 – 7 U 3130/14 Beweis und Darlegungspflicht zur Begründung der Haftung des GmbH Geschäftsführers nach § 43 GmbHG
Nach § 43 II GmbHG haftet der Geschäftsführer der GmbH gegenüber der Gesellschaft bei pflichtwidrigem Verhalten im Rahmen der Geschäftsführung für den dadurch entstandenen Schaden. Das OLG München beschäftigte sich nun insbesondere mit der Frage, wer beweisen und darlegen müsse, dass durch ein potentiell pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers einer GmbH ein Schaden entstanden sei.
Es führt insoweit aus, dass die aus § 43 II GmbHG klagende Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür treffe , dass und inwieweit ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist. Sie trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das für den Schaden ursächliche Verhalten des Geschäftsführers in seinen Pflichtenkreis fällt. Die Gesellschaft hat den Eintritt des Schadens und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsführers, das sich als „möglicherweise pflichtwidrig“ darstellt, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen.
Die Klägerin wollte ihren ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz verklagen, weil dieser einen Verlag der Gesellschaft an den ungünstigeren von zwei Bietern veräußert habe. Das OLG München verneinte nun eine Haftung, weil die Gesellschaft die konkrete Pflichtverletzung im Einzelfall nicht präzise genug herausgearbeitet und begründet hätte. Außerdem konnte durch den Klägervortrag keine hinreichend konkrete Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden erkannt werden.
Folgen für Gesellschaften bei Klagen gegen ihre Geschäftsführer : Es müssen Pflichtverletzung und Kausalität des Schadenseintritts genau beschrieben und im Bestreitensfall bewiesen werden, da die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung und den Schaden trifft.
OLG Naumburg, Urteil vom 30.03.2015 – 1 U 113/14 – Haftung für unbefugte Anschaffung eines neuen Dienstwagens
Das OLG Naumburg entschied die Frage der Haftung eines GmbH Geschäftsführers, der sich ohne entsprechende gesellschaftsrechtliche Befugnis einen neuen Dienstwagen anschafft. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte zwar einen Anspruch auf einen Dienstwagen in der Satzung seines Unternehmens und auch bereits einen Dienstwagen durch Leasingvertrag angeschafft. Ohne Rücksprache oder sonstige Befugnisse kündigte er jedoch den bestehenden Vertrag und schaffte sich ein teureres Neufahrzeug an.
Das Gericht sah darin eine Verletzung der Gesellschaftsinteressen, welche in der Satzung der Gesellschaft speziell konkretisiert worden waren: Demnach hatte der Beklagte in § 17 der Satzung die Fahrzeugkosten in angemessener Höhe zu halten. Im Ergebnis musste der Geschäftsführer daher nach § 43 II GmbHG gegenüber der Gesellschaft bezüglich der entstandenen Leasingkosten für das Neufahrzeug haften.
LAG Düsseldorf, Teilurteil vom 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 – Kein Regress gegen den Geschäftsführer bei Kartellbußen
Verhängt das Bundeskartellamt Bußgelder gegen eine GmbH bei Kartellverstößen, die durch den Geschäftsführer verschuldet sind, so kann die Gesellschaft keinen Regress vom Geschäftsführer nehmen. Im Rahmen der Geschäftsführerhaftung nach § 43 II GmbHG entschied nun das LAG Düsseldorf, dass es dem Regelungszweck von Kartellbußen widerspreche, wenn die Strafe durch eine Regressnahme gegenüber dem Geschäftsführer auf diesen abgewälzt werden könne. Die zivilrechtliche Innenhaftung würde dazu führen, dass die Intention des Gesetzgebers, die Gesellschaft zur Verantwortung zu ziehen, de facto leer liefe.
OLG München, Endurteil vom 22.10.2015 – 23 U 4861/14 – Haftung bei Nichteinschreiten gegen pflichtwidriges Handeln des Mitgeschäftsführers
Im vorliegenden Fall hatte ein Geschäftsführer zugelassen, dass sein Mitgeschäftsführer unberechtigte Auszahlungen an sich selbst getätigt hatte. Zwar waren die Aufgabengebiete der beiden ressortmäßig getrennt. Dennoch entschied nun das OLG München, dass eine Pflichtverletzung im Sinne des § 43 II GmbHG auch dann in Betracht kommt, wenn man eine rechtswidrige Auszahlung an einen Mitgeschäftsführer nicht verhindert, obwohl man Kenntnis von der Auszahlung hatte und diese hätte verhindern können.
Hierdurch sei ebenfalls die Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der GmbH verletzt, sodass der Tatbestand der Untreue durch Unterlassen im konkreten Fall ebenfalls zu einer deliktischen Haftung aus §§ 823 II BGB , § 266 StGB führe. Folglich wurden beide Geschäftsführer gesamtschuldnerisch zur Zahlung des entstandenen Schadens verurteilt.
Dies bedeutet im Ergebnis, dass Geschäftsführer tätig werden müssen, sobald sie vermögensschädigende Handlungen ihrer – wenn auch ressortverschiedenen- Mitgeschäftsführer bemerken. Ansonsten drohen sowohl eine Haftung aus § 43 II GmbHG, als auch eine deliktische Haftung und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen.
OLG Koblenz, Urteil vom 23.12.2014 – 3 U 1544 /13- Überprüfbarkeit unternehmerischer Entscheidungen durch die Gerichte
Das OLG Koblenz bestätigt in seinem Urteil die Grundsätze der BGH Rechtsprechung bezüglich der limitierten Überprüfbarkeit des unternehmerischen Ermessens von Geschäftsführern durch die Gerichte. Es führt hierzu anschaulich aus, dass bei unternehmerischen Entscheidungen den Geschäftsführern im Rahmen des Unternehmensgegenstandes grundsätzlich ein haftungsfreier Handlungsspielraum , also ein unternehmerisches Ermessen, zusteht.
Das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken, das eine unternehmerische Tätigkeit wesentlich prägt, umfasst grundsätzlich auch Fehleinschätzungen. Schlägt ein Geschäft fehl und wird hierdurch die Gesellschaft geschädigt, dann ist eine Haftung aus § 43 GmbHG, der gerade keine Haftung für wirtschaftlichen Misserfolg begründet, ausgeschlossen, soweit die Geschäftsführer ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt haben. Andererseits ist eine fehlerhafte Ausübung unternehmerischen Ermessens dann anzunehmen, wenn aus der ex ante-Perspektive das Handeln des Geschäftsführers hinsichtlich der eingeholten Informationen als Entscheidungsgrundlage unvertretbar erscheint.
Eine gerichtliche Überprüfung unternehmerischen Handelns findet daher nur dahin statt, ob dem Geschäftsführer in der jeweiligen Situation ein Ermessensspielraum zugestanden hat und dieses Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden ist. Damit muss das Gericht unabhängig von später gewonnenen Erkenntnissen urteilen und darf nicht als „nachträglicher Besserwisser“ erscheinen.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.