Rangrücktrittsvereinbarungen zur Vermeidung des Überschuldungsstatus

Grundsätzlich muss eine Geschäftsführer Insolvenz anmelden, wenn die GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, haben wir auf diesem Blog bereits mehrfach dargestellt.

Eine Überschuldung liegt nach § 19 Insolvenzordnung dann vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, es sei denn, dass eine positive Fortführungsprognose bestehtoder für relevaten Verbindlichkeiten ein RANGRÜCKTRITT verbeinbart wird. Hierbei ist Folgendes zu beachten:

Für die Feststellung einer Überschuldung bedarf es der Aufstellung eines Überschuldungsstatus oder einer Überschuldungsbilanz.In die Passiva der Überschuldungsbilanz sind alle gegenwärtig bestehenden Verbindlichkeiten einzubeziehen. Dabei sind auch noch nicht fällige oder gestundete Verbindlichkeiten zu passivieren (sog. betagte Verbindlichkeiten). Die Forderung, für welche die Vereinbarung geschlossen wird, sollte konkret bezeichnet werden.

Rangrücktrittsvereinbarungen können mit Gesellschaftern oder auch außenstehenden Dritten, so wie etwa stillen Gesellschaftern behiflich sein, den Überschuldungsstatus zu eliminieren.

Bei dem Rangrücktritt handelt es sich um eine zweiseitige Vereinbarung. Sie setzt Angebot und Annahme voraus. Daher spricht man besser von einer Rangrücktrittsvereinbarung statt einer Rangrücktrittserklärung. Liegt lediglich eine solche einseitige Erklärung vor, muss diese noch angenommen werden damit es sich um den notwendigen Schuldänderungsvertrag handelt.

Wenn Zinsen vereinbart sind, muss der Rangrücktritt auch diese ausdrücklich mit umfassen – das gilt auch für etwaige Nebenforderungen. Sollten diese vom Rücktritt nicht umfasst sein, sind die Ansprüche weiterhin zu passivieren.

Exkurs zur stillen Gesellschaft:

Der stille Gesellschafter bringt eine Einlage in die GmbH (oder andere Gesellschaftsformen). Als Gegenleistung für die Kapitalüberlassung erhält er allerdings keinen Zins, sondern gemäß einen Anteil am Gewinn und Verlust.

Eine Festverzinsung – auch neben einem Gewinnanteil – ist ein Indiz für eine Darlehensgewährung! Eine alleinige feste Verzinsung schließt eine stille Beteiligung zwingend aus.

 

Die typische stille Beteiligung ist grundsätzlich als FREMDKAPITAL zu behandeln. Bei der Feststellung einer Überschuldung sind die Einlagen eines typsisch stillen Gesellschafters als Fremdkapital zu passivieren.

 

Anders bei der atypsichen stillen Gesellschaft:

  1. LANGFRISTIGKEIT: Der stille Gesellschafter überlässt seine Einlage über einen längeren Zeitraum, innerhalb dessen weder der stille Gesellschafter noch der Inhaber des Handelsgewerbes die Beteiligung kündigen können (Längerfristigkeit). Hierbei sollte es sich um einen Zeitraum von wenigstens fünf Jahren handeln.

  2. NACHRANGIGKEIT: Ein Rückforderungsanspruch des stillen Gesellschafters kann im Liquidationsfall und im Insolvenzfall erst nach Befriedigung aller Gläubiger geltend gemacht werden.
  3. ERFOLGSABHÄNGIGKEIT: Der stille Gesellschafter nimmt am Verlust des Handelsgewerbes anteilig bis zur Höhe seiner Einlage teil.

Nur unter der Voraussetzung, dass diese Kriterien kumulativ erfüllt sind, ist die stille Beteiligung in der Bilanz des Geschäftsinhabers als echte Eigenkapitalposition auszuweisen und spielt dann keine Rolle in einer Überschuldungsbilanz.

Exkurs Ende

Rangrücktrittsvereinbarungen haben danch den Zweck, eine Forderung im Überschuldungsstatus einer Gesellschaft unberücksichtigt zu lassen und dadurch ihre Insolvenz zu vermeiden – so drückt es der Bundesgerichtshof aus.

Es handelt sich bei dem Rangrücktritt grundsätzlich um eine zivilrechtliche Vereinbarung, die autonom gestaltet werden kann. Jedoch nicht jede Gestaltungsvariante führt auch dazu, dass die betreffende Forderung bei der Feststellung einer Überschuldung unberücksichtigt bleibt.

So ist es beispielsweise nicht ausreichend, eine Rangrücktrittsvereinbarung nur für den Fall zu vereinbaren, dass die Forderung im Falle einer Insolvenz zurücktritt. Dies ist eigentlich logisch, denn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder der vorherige Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzen ja einen Insolvenzgrund wie die Überschuldung voraus. Bei der Prüfung, ob dieser Grund vorliegt, muss die Rangrücktrittsvereinbarung ansetzen. Es wäre widersinnig, eine Forderung bei der Prüfung einer Insolvenz zu bejahen, um dann die entsprechenden Konsequenzen (Insolvenzanmeldung) zu ziehen, um für diesen Fall eine Vereinbarung getroffen zu haben, dass die Forderung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu berücksichtigen ist. Man erkennt, dass eine derartige Regelung zu spät ansetzen würde

Vielmehr muss sich der Regelungsbereich einer Rangrücktrittsvereinbarung auf den Zeitraum vor (und nach) Insolvenzeröffnung erstrecken.

Ein Rangrücktritt ist als rechtsgeschäftliches Zahlungsverbot des Inhalts auszugestalten, dass die Forderung des Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO befriedigt werden darf. Der Gläubiger muss auf Grund der Rangrücktrittsvereinbarung dauerhaft gehindert sein, seine Forderung geltend zu machen. Ein zeitlich befristeter Rangrücktritt ist daher auch nicht ausreichend; jedoch ist auch kein endgültiger Verzicht auf die Forderung notwendig.

Ebenso kann die Erklärung nach dem Wortlaut des §§ 19, 39 InsO darauf beschränkt werden, hinter die Forderungen aus § 39 Absatz 1 Nr. 5 InsO zurückzutreten, ohne darüber hinaus eine Gleichstellung (also ein Gleichrang) mit den Einlagerückgewähransprüchen zu verlautbaren. Die Forderung soll nicht in Konkurrenz zu außenstehenden Gläubigern stehen. Sie kann nur geltend gemacht werden, wenn sich beim Schuldnerunternehmen keine auch nur drohende Insolvenzreife verwirklichen würde (Durchsetzungssperre). Dem zuwider erfolgte Zahlungen stellen eine Leistung auf eine Nichtschuld dar, so dass ein Erstattungsanspruch gemäß § 812 BGB entsteht. Zum anderen kann eine solche Zahlung gemäß § 134 InsO angefochten werden

Fraglich ist, ob insoweit vereinbart werden kann, dass die Forderung zwar im Nachrang des § 39 Absatz 2 InsO hat, aber innerhalb dieses Nachrangs vor den ebenfalls mit Rangrücktritt versehenen Darlehensrückgewähransprüchen der Gesellschafter bedient werden sollen. Dies wird in der Literatur umstritten gesehen, weshalb wohl sicherheitshalber dazu zu raten ist, einen Rücktritt in den undifferenzierten Rang des § 39 Absatz 2 InsO zu vereinbaren. Bei der Prüfung, ob Sie als Geschäftsführer bereits Insolvenz anmelden müssen bzw. dies als Gesellschafter dem Geschäftsführer raten müssen, wie auch bei der vertraglichen Gestaltung von Insolvenzvermeidungsvereinbarungen sind wir gerne behilflich.

Jan Köster

Rechtsanwalt Jan Köster ist seit 2009 Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht seit 2007 Fachanwalt für Steuerrecht.
Die kanzleiköster ist eine auf das Gesellschaftsrecht spezialisierte Boutique-Kanzlei in Münchens Museums- und Universitätsviertel Maxvorstadt.